Marktkommentar Roggen - August 2020
Wie im Vorjahr sind auch in diesem Jahr die regionalen Preise stärker als die Kurse an den weltweiten Börsen gefallen. Lag der Preis in den Seehäfen Westeuropas für Ware der Ernte 2019 noch 5 bis 10 €/t oberhalb der Kurse an der Pariser Börse, liegen die Gebote aktuell 5 bis 8 €/t unterhalb des Septemberweizens an der Börse. Auch in den Schwarzmeerhäfen wird Weizen mit Preisen fob Seehafen von 198 US$/t (168 €/t) deutlich unterhalb der Börsenkurse geboten. Aufgrund der niedrigen Preise in den Schwarzmeerhäfen laufen dort die Verschiffungen und damit die Exporte auf Hochtouren. Allein für den August rechnet das russische Logistikunternehmen Rusagrotrans mit einer Exportmenge von 4,6 Mio. t Weizen. Die günstige Ware macht das Geschäft. Dies gilt auch für Bulgarien und Rumänien, die bereits 600.000 t Weizen und 250.000 t Gerste verkauft haben sollen. Im Gegensatz dazu tun sich Frankreich und der Ostseeraum im Wettbewerb am Weltmarkt sehr schwer. Bis Anfang August beliefen sich die Exporte laut EU-Kommission nur 400.000 t Weizen und 200.000 t Gerste. Neben der Schwarzmeerregion sind aktuell US-amerikanische Exporteure im Verkauf stark. Dank des schwachen US-Dollars hat die USA bis Mitte August mittlerweile mit 5,6 Mio. t ein Exportergebnis leicht oberhalb des Vorjahres erreicht. Die Käuferländer kommen derzeit schwerpunktmäßig aus dem pazifischen Raum. Auf Eurobasis fiel der Kurs an der CBoT in den vergangenen zwei Monaten um 20 €/t auf 177 €/t.
Der aktuelle Preisdruck am Markt hat sich auch auf das Futtergetreide im Rye Belt übertragen. Insbesondere im östlichen Rye Belt gaben die Preise deutlich nach. Der Preis für Brotroggen ist in Russland franko Verarbeiter seit Anfang Juli von 13.180 RR/t (151 €/t) auf 9.930 RR/t (114 €/t) gefallen. Im gleichen Zeitraum fiel der Weizenpreis von 13.610 RR/t (156 €/t) auf 12.180 RR/t (137 €/t). Während der Futterweizen im Vermarktungsjahr preislich noch unter dem Brotroggen lag, hat sich die Preiskonstellation wieder umgedreht. Futterweizen wurde Mitte August für 10.510 RR/t (121 €/t) bewertet. Nach dem sehr knappen Angebot fällt die russische Roggenproduktion im laufenden Jahr wieder höher aus. Das USDA hat in seinem Augustreport die russische Roggenproduktion gegenüber dem Vorjahr um 400.000 t auf 1,8 Mio. t angehoben. Allerdings korrigierte das USDA die Vormonatsprognose um 200.000 t aufgrund einer niedrigeren Ertragserwartung nach unten. Bei einem erwarteten Verbrauch von 1,65 Mio. t und einer Exportmenge 75.000 t sollen die Vorräte um 75.000 t auf 166.000 t (Vj. 91.000 t) ansteigen. Damit ist die Versorgung in Russland im Gegensatz zum Vorjahr gesichert. Allerdings kann die Ernteschätzung noch weiter angepasst werden, bzw. der Verbrauch am Ende höher ausfallen. Der Roggenverbrauch lag in den Jahren 2016/17 bis 2018/19 noch zwischen 1,8 und 2,5 Mio. t. Bei den gegenwärtigen Preisdifferenzen ist nicht zu erwarten, dass der Roggen in umfangreichen Mengen in der Tierfütterung eingesetzt werden wird. Preislich ist er in der hofeigenen Verfütterung wirtschaftlich, wenn die Alternative besteht, Futterweizen oder Brotroggen zu verkaufen.
In Polen soll durch den Anstieg der Roggenerträge nach ADM Germany im Vergleich zum Vorjahr die Produktion um 500.000 t auf 3,1 Mio. t gestiegen sein. Insgesamt soll die Getreideproduktion mit 31 Mio. t (Vj. 28 Mio. t) deutlich höher als im Vorjahr ausfallen. Polen wird damit wie im Vorjahr wieder freie Ware für den Weizenexport über die Ostseehäfen in Gdansk, Gydina und Szczecin auf den Weltmarkt liefern können.
Der Überhang beim Roggen wird seinen Weg in erster Linie auf den EU-Binnenmarkt und dabei insbesondere in die deutschen Ethanolanlagen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt finden. Infolge des hohen Getreideangebots ist der Preis am polnischen Getreidemarkt stark zurückgegangen. Die Brotweizenpreise franko Verarbeiter fielen seit Mitte Juli von 800 PLN/t (183 €/t) auf 690 PLN/t (158 €/t) und die Preise für Brotroggen von 550 PLN/t (126 €/t) auf 480 bis 520 PLN/t (110-120 €/t). Für Futterroggen lagen die Preise 20 PLN/t (4 €/t) niedriger. Durch die hohe Ernte ist Roggen reichlich und damit günstig. Neben dem Export über die Ostseehäfen, der aufgrund der günstigen Angebote aus der Schwarzmeerregion auf Sparflamme läuft, ist für die Preisentwicklung am polnischen Markt die Situation in Deutschland. Wie aufnahmefähig ist der deutsche Markt?
Nach den jüngsten Korrekturen der Weizenanbaufläche und der Ertragskorrekturen prognostiziert der Deutsche Bauernverband nur noch eine Ernte von 42,4 Mio. t und der Deutsche Raiffeisenverband von 42,9 Mio. t (Vj. 44,3 Mio. t). Damit fällt die Produktion auch unter dem fünfjährigen Durchschnitt von 44,4 Mio. t. Interessant an der aktuellen Marktkonstellation ist der Blick auf die Nachbarländer. Während in Polen die Getreideernte gegenüber dem Vorjahr um 3 Mio. t steigen soll, soll sie in Frankreich um 8 Mio. t, im Vereinigten Königreich um 7 Mio. t und in Dänemark um 1 Mio. t niedriger als im Vorjahr ausfallen. Deutschland könnte daher in die von Frankreich und dem Vereinigten Königreich entstehende Lücke rücken. Daraus ist zu schließen, dass für deutsches Getreide Absatzpotenzial in Belgien und den Niederlanden sowie im Export auf dem Weltmarkt entstehen kann. Auf der anderen Seite drückt Getreide insbesondere aus Polen in den Markt. Hinzukommt die hohe litauische Ernte, die ihren Absatzkanal über die Ostseehäfen zum Weltmarkt finden wird. Aufgrund der Transportkosten zwischen den östlichen EU-Mitgliedstaaten und den Verbrauchsregionen im Westen der EU-27 wird bei den gegenwärtigen Ernteschätzungen das Preisgefälle von Osten nach Westen im laufenden Vermarktungsjahr zunehmen. Aufgrund der niedrigen EU-Ernte wird die Ware aus den östlichen EU-Staaten dabei für die Versorgung des Binnenmarktes gebraucht werden. Daran ändern auch die erwarteten hohen EU-Maisimporte aus der Ukraine und Brasilien nichts.
Auch in Deutschland sind die Preisnennungen für Getreide sehr verhalten gewesen. Für Brotweizen werden landauf landab franko Verarbeiter Preise von 170 bis 175 €/t genannt. In den östlichen Regionen sind es 5 bis 10 €/t weniger. Beim Brotroggen sind es mittlerweile im Norden, Westen und Süden zwischen 155 bis 160 €/t franko Roggenmühle und in den östlichen Produktionsregionen zwischen 130 und 140 €/t. Dabei bilden die 140 €/t die Ausnahme. Sie wurden bei kurzfristigen Bedarf und niedrigen Futtervorräten von Biogasanlagen gezahlt. Die hohen Preisdifferenzen in den östlichen Produktionsgebieten zwischen Weizen und Roggen von teilweise 25 bis 30 €/t sind für Ackerbaubetriebe mit Tierhaltung ein klares Signal, Roggen in der hofeigenen Fütterung einzusetzen. Auch in Dänemark spricht die hohe Differenz von 230 DKK/t (30 €/t) für die hofeigene Verfütterung von Roggen oder den Verkauf von Roggen direkt an die tierhaltenden Betriebe. In Dänemark wurde Mitte August für Brotweizen 1.250 DKK/t (170 €/t) und für Roggen 1.035 DKK/t (139 €/t) gezahlt.
Die Marktbeobachter richten aktuell ihre Blicke auf den internationalen Maismarkt. Die trockene Witterung in den US-Maisanbaugebieten, der Ukraine und in der EU-27 könnte noch zu Ertragskorrekturen führen. Diskutiert wird aktuell der Einfluss der Sturmschäden in Iowa auf die dortige Erntemenge. Die Unsicherheit ist noch sehr hoch. Es wird von Schäden zwischen 1 und 10 Mio. t in Iowa gesprochen. Der Mais hat im Rye Belt unter der Hitzeglocke der vergangenen zwei bis drei Wochen auf den leichten Böden der Mais stark gelitten. Auch hier sind die Auswirkungen auf die Erntemenge noch nicht abzuschätzen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zum Ende der Ernte der Getreidemarkt im östlichen und im westlichen Rye Belt unter Druck geraten ist. Die niedrigen Preise insbesondere in der EU-27 spiegeln aber nicht die Versorgungslage des Binnenmarktes wieder. Nach der anhaltenden trockenen und heißen Witterung in Teilen des Rye Belts und in Teilen des Mittleren Westens der USA bestehen noch Fragezeichen hinter dem weltweiten Maisangebot und damit noch hinter der Preisentwicklung für Futtergetreide. Bei einer knapperen Versorgungslage wäre noch Luft für steigende Preise am Roggenmarkt. Es ist daher ratsam Roggen vorerst einzulagern.
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Diese Informationen sind sorgfältig erarbeitet. Eine Garantie für Richtigkeit und Vollständigkeit wird jedoch ausgeschlossen. Informationen zusammengestellt von Dr. Reimer Mohr.
