Marktkommentar Roggen - Dezember 2020
Der Roggenmarkt hat seine eigenen Gesetze. Auch im aktuellem Jahr ist der Roggenmarkt schwer zu begreifen. Nach einer Unterversorgung des Marktes im östlichen Rye Belt im Jahr 2019/20, in dem Russland sogar Roggen importierte, liegt das Angebot nach der Ernte 2020 oberhalb der Nachfrage der lokalen Roggenmühlen. Gleichzeitig fiel auch die Ernte im westlichen Rye Belt sehr gut aus. Roggen wurde damit innerhalb eines Jahres vom Verkaufsschlager zum Ladenhüter.
Das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) hat in seinem Dezemberbericht die weltweit hohe Ernte 2020 von 13,6 Mio. t Roggen bestätigt. Dies sind 1,5 Mio. t mehr als im Jahr 2019 und sogar 3,6 Mio. t mehr als im Dürrejahr 2018. Die Produktionsmenge übersteigt in allen Ländern des Rye Belts den Verbrauch. Daraus errechnet sich weltweit ein Anstieg der Vorräte um 320.000 t auf 1,2 Mio. t. Nach den Jahren 2018/19 und 2019/20 mit knappen Übergangsvorräten von 800.000 t bzw. 900.000 t ist die weltweite Versorgungslage damit komfortabel. Eine Besonderheit stellt die Marktsituation in den USA da. Die USA sind in den vergangenen Jahren das einzige Land, das mehr Roggen nachfragt, als die heimische Landwirtschaft produziert. Die Angebotslücke wird in erster Linie durch Importe aus Kanada und der EU-28 gedeckt.
Die Versorgungslage zeigt sich deutlich in den aktuellen Marktpreisen im Rye Belt. In Russland stieg der Weizenpreis gegenüber dem Vorjahr von 10.670 RR/t (157 €/t) auf 15.680 RR/t (174 €/t). Dies ist ein Anstieg um 47 % gegenüber dem Vorjahr. Durch den Währungsverlust des Rubels gegenüber dem Euro um 34 % beträgt der Anstieg in Euro lediglich 11 %. Im gleichen Zeitraum ist der Roggenpreis von 11.590 €/t (170 €/t) auf 11.280 €/t (125 €/t) gefallen. Statt einer Prämie von 920 RR/t (13 €/t) wird in diesem Jahr ein Abschlag von 4.400 RR/t (49 €/t) bezahlt. Auch gegenüber dem Futterweizenpreis von 13.980 RR/t (155 €/t) ist Roggen als günstig zu bezeichnen. Bei einer Futterwertdifferenz zwischen 600 RR/t und 900 RR/t ist Roggen ein sehr günstiges Futtermittel. Viele Versuche im Rye Belt haben gezeigt, dass Roggen insbesondere in der Rinder- aber auch in der Schweinemast ein gleichwertiges Futtermittel ist. Jüngste Untersuchungen zeigen darüber hinaus für die Tiergesundheit Vorteile beim Roggeneinsatz im Vergleich zu anderen Getreidearten. Dies weist bereits daraufhin, dass Roggen in der Fütterung stark unterbewertet ist. Hintergrund der hohen Diskrepanz zwischen Marktpreis und Futterwert ist das fehlende Wissen auf Seiten der Tierproduzenten und Mischfutterwerke. Trotz der Aufklärung durch Wissenschaft und Beratung baut sich das Wissensdefizit nur langsam ab. Die Entwicklung am russischen Markt wird im ersten Halbjahr stark von der Einführung der Exportzölle und der Exportquoten für Weizen abhängen. Nach den Plänen der russischen Regierung wir am 15. Februar ein Exportzoll von umgerechnet 25 €/t erhoben. Gleichzeitig soll eine Exportquote für Getreide von 17,5 Mio. t im Zeitraum vom 15. Februar bis 30. Juni 21 eingeführt werden. Die Pläne wurden noch nicht abschließend von der russischen Regierung beschlossen. Ziel ist es, die Lebensmittel- und insbesondere die Brotpreise im Land zu begrenzen.
In der Ukraine haben sich insbesondere durch die dürrebedingt niedrige Maisernte die Preise erhöht. Die Schätzung der Maisernte wurde gegenüber den ersten Prognosen im Sommer um 9 bis 10 Mio. t auf 29,5 Mio. t durch das USDA nach unten korrigiert. Seit Juni sind die Maispreise in den Schwarzmeerhäfen laut dem internationalen Getreiderat (IGC) um 28 €/t auf 188 €/t gestiegen. Die USDA-Schätzung der ukrainischen Maisexporte sank daher seit der Juliprognose um 9 Mio. t auf 24 Mio. t. Das Preisniveau frank Verarbeiter ist in der Ukraine insgesamt sehr hoch. Brotweizen notiert franko Mühle mit 7.500 UAH/t (220 €/t) und Brotroggen mit 5.500 RR/t (162 €/t).
Polen hat in diesem Jahr mit 32,7 Mio. t (Vj. 28,6 Mio. t) eine sehr hohe Getreideernte eingefahren. Infolge der Produktionsausfälle in Rumänien und Frankreich kann Polen die Produktionsüberschüsse sehr gut am Weltmarkt verkaufen. Bis Mitte Dezember hat Polen bereits 1,3 Mio. t Weizen verkauft. Bis Ende Dezember wird mit Exporten in Höhe von 1,6 bis 1,7 Mio. t gerechnet. Dies sind 700.000 t mehr als im Vorjahr. Auch für Januar und Februar 2021 sollen die Exporte monatlich zwischen 250.000 bis 300.000 t betragen. Insgesamt wurden aus dem Ostseeraum bis Mitte Dezember 6,5 Mio. t Weizen, 950.000 t Gerste und 70.000 t Roggen auf dem Weltmarkt verkauft. Die Kurssteigerungen in Paris spiegeln auch die Preisentwicklung in Polen wieder. Die hohen Preise in den Exporthäfen strahlen bis in das Binnenland aus. Franko Verarbeiter werden Preise für Weizen von 820 bis 880 PLN/t (182-195 €/t) genannt. Futterweizen wird 20 bis 45 PLN/t (niedriger 5-10 €/t) bewertet. Der Roggenmarkt tritt nach den guten Ernteergebnissen auf der Stelle. Die Preisnennungen liegen für Roggen zwischen 550 bis 620 PLN/t (122 – 137 €/t). Dabei beträgt der Unterschied zwischen Brot- und Futterqualität häufig lediglich 20 PLN/t (5 €/t). Viele Roggenpartien mit guter Backqualität wandern in die Mischfutterration oder in die Bioethanolproduktion in Deutschland. Aufgrund der hohen Preisdifferenzen zwischen Roggen und Weizen ist zu erwarten, dass in den kommenden Monaten der Roggen verstärkt in der Mischfutterindustrie nachgefragt werden wird.
Auch in Deutschland ist Roggen weiterhin der Billigmacher im Mischfutter. Mit Preisen von 160 bis 170 €/t franko Mischfutterwerk wird für Roggen bei Futterweizenpreisen von 200 bis 210 €/t sehr wenig gezahlt. Vom Norden bis Süden ist der Roggen deutlich unterbewertet. Zuletzt sind allerdings die Preisdifferenzen etwas gesunken. Ab Station wurden in den östlichen Produktionsgebieten Mitte Dezember für Brotroggen zwischen 140 und 150 €/t geboten. Dies sind 5 €/t mehr als Vormonat.
Die gleiche Marktentwicklung ist in Dänemark zu beobachten. Dort stieg der Roggenpreis ab Station von 1.075 DKK/t (144 €/t) auf 1.150 DKK/t (155 €/t), während im gleichen Zeitraum der Futterweizen um 20 DKK/t auf 1.335 DKK/t (180 €/t) stieg. Damit besteht für Roggen preislich weiterhin noch Luft nach oben. Auch der Einfluss des Weltgetreidemarktes auf den Roggenmarkt zeigt eine positive Entwicklung.
Im USDA-Bericht vom 10. Dezember 2020 erhöhten die US-Analysten den weltweiten Getreideverbrauch gegenüber der Vormonatsprognose um 7,6 Mio. t auf ein neues weltweites Rekordniveau von 2.218 Mio. t. Gleichzeitig wurde die Produktion um 1,4 Mio. t auf 2.221 Mio. t erhöht. Damit übersteigt die Produktion den Verbrauch nur noch um 4 Mio. t. In der Vormonatsschätzung waren dies noch 11 Mio. t. Aufgrund der Trockenheit in Südamerika stehen noch einige Fragezeichen hinter der dortigen Getreideernte. Bei einer Analyse der regionalen Versorgungsbilanzen geht auch im Dezember der Blick wieder nach China. Trotz aller Unsicherheit über die Aussagekraft der chinesischen Zahlen kann die dortige Entwicklung durch die zunehmende Bedeutung Chinas im weltweiten Getreidehandel nicht außer Acht gelassen werden. Das USDA prognostizierte noch im August die chinesischen Getreideimporte auf 24 Mio. t. Mittlerweile wurde die Importprognose für 20/21 auf 39 Mio. t erhöht. Allein gegenüber der Vormonatsprognose wurde die Importmenge um 5 Mio. t erhöht. Dies steht im Verhältnis zu dem 5-jährigen Mittel der EU-Getreideexporte in Höhe von 37 Mio. t und den ukrainischen Exporte von 46 Mio. t und den russischen Exporte von 48 Mio. t. China ist damit auch auf den Getreideimportmärkten wie bei der Sojabohne die Nummer 1. Verantwortlich für den starken Anstieg in China ist die sehr schnelle Erholung der Schweineproduktion nach dem ASP-Geschehen der Vorjahre. China will wieder an Unabhängigkeit von den sehr hohen Schweinefleischimporten aus der EU-27 und den USA gewinnen. Infolge der zunehmenden chinesischen Nachfrage sollen die Vorräte für Futtergetreide im Rest der Welt gegenüber dem Vorjahr um 4 Mio. t schrumpfen. Allein in der Dezemberprognose wurden die Vorräte um 3 Mio. t nach unten korrigiert. Damit besteht künftig neben der hohen gegenseitigen Abhängigkeit auf dem Ölsaatenmarkt auch eine zunehmende Verzahnung bei Getreide.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der Roggenmarkt weiterhin im Rye Belt stark unterbewertet ist. Infolge der Trockenheit in Südamerika und nach den Produktionsausfällen in der Schwarzmeerregion hat die Unsicherheit über das Futtergetreideangebot zugenommen. Gleichzeitig laufen die Weizenexporte im Rye Belt auf Hochtouren. Daher ist zu erwarten, dass sich die Roggenpreise im ersten Halbjahr 2021 erholen werden. Es ist weiterhin ratsam Roggen einzulagern.
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Diese Informationen sind sorgfältig erarbeitet. Eine Garantie für Richtigkeit und Vollständigkeit wird jedoch ausgeschlossen. Informationen zusammengestellt von Dr. Reimer Mohr.
