Marktkommentar Roggen - Mai 2020
Die Knappheit der Roggenversorgung im östlichen Rye Belt zeigt insbesondere die Entwicklung in der Ukraine. Dort bieten die Roggenmühlen bis zu 7.000 UAH/t (240 €/t). Gleichzeitig wird in den Seehäfen am Schwarzen Meer für Brotweizen zwischen 190 und 200 €/t geboten. Roggen ist am ukrainischen Markt ausverkauft. Die vom USDA prognostizierten Vorräte von 54.000 t zum 30. Juni 2020 erscheinen im Vergleich zum Verbrauch von 305.000 t zu hoch. Rein rechnerisch würden die Vorräte in der Ukraine für zwei Monate reichen. Die hohen Preise sprechen dafür, dass der Markt derzeit leergefegt ist. Roggen aus der Ernte 2020 sollte daher sofort Käufer zu guten Preisen finden.
Auch in Russland sind die Preise am Inlandsmarkt weiter angestiegen. Der Preis für Brotroggen stieg von 13.980 RR/t (164 €/t) auf 14.260 RR/t (178 €/t). Damit notiert der Roggen weiterhin oberhalb des Weizenpreises, der um 990 RR/t (12 €/t) auf 13.650 RR/t (171 €/t) erhöht wurde. Die knappe Versorgungslage wird an der russischen Importmenge deutlich. Russland kaufte bis Ende Mai 2020 allein in der EU-27 75.000 t Roggen, während im vergangenen Jahr noch 230.000 t exportiert worden sind. Die Importmengen liefern überwiegend die baltischen Staaten Estland und Lettland.
Dagegen übersteigt in der EU-27 die Produktion den Verbrauch um 234.000 t. Die Vorräte sollen daher auf 729.000 t steigen. In den beiden Hauptproduktionsländern Deutschland und Polen bewegte sich der Roggenpreise in den vergangenen Wochen bei einem leichten Abwärtstrend insgesamt seitwärts. Durch den Einbruch am Kraftstoffmarkt sinkt die Nachfrage nach Bioethanol für die Beimischungsverpflichtung. In Polen wurde in der zweiten Maihälfte für Roggen zwischen 565 und 590 PLN/t (125 – 130 €/t) bezahlt. In den ostdeutschen Produktionsgebieten werden Preise ab Station von 130 bis 140 €/t genannt, wobei die Mehrzahl der Gebote zwischen 135 bis 140 €/t liegt. Bis zu den Verbrauchsregionen in Nord-, Süd, und Westdeutschland steigen die Preise bedingt durch die Transportkosten auf 160 bis 165 €/t franko Mühle. Die Versorgungssituation der Roggenmühlen wird bis zur Ernte als gut beschrieben.
Für die Ernte 2020 ist das amerikanische Landwirtschaftsministerium auf den ersten Blick optimistisch. Die Getreideernte 2020 soll höher ausfallen als der Verbrauch im kommenden Vermarktungsjahr. Dadurch sollen die weltweiten Vorräte weiter steigen. So wird ein Anstieg die weltweite Getreideproduktion um 80 Mio. t auf 2.250 Mio. t erwartet. Bei einem Verbrauch von 2.207 Mio. t (Vj. 2.157 Mio. t) sollen die weltweiten Vorräte zum 30. Juni 2021 um 43 Mio. t auf 687 Mio. t wachsen. Davon lagern 52 % in China. Der Anstieg der weltweiten Getreideproduktion ist fast ausschließlich auf Futtergetreide zurückzuführen.
Die weltweite Weizenproduktion soll lediglich um 4 Mio. t auf 768 Mio. steigen. Bei einem weltweiten Verbrauch von 753 Mio. t (Vj. 750 Mio. t) übersteigt ein weiteres Jahr die Produktion den Verbrauch. Allein in China soll der Produktionsüberschuss bei 10 Mio. t und in Indien 3 Mio. t liegen. Marktbeeinflussend ist aber nur der Anstieg in Russland und Australien um jeweils 2 Mio. t. Gleichzeitig wird für die US-Vorräte ein Rückgang von 2 Mio. t erwartet. In Summe wurde Anfang Mai in den acht Exportnationen ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage für Weizen in 20/21 erwartet. Die Witterung in den kommenden Wochen kann die Angebotssituation aber noch deutlich verändern. Sehr gut versorgt stellt sich aus heutiger Sicht die weltweite Maisversorgung im kommenden Jahr dar. Eine hohe US-Aussaatfläche mit einer verbundenen frühen Aussaat versprechen eine hohe US-Ernte mit steigenden Vorräten. Für die USA wird ein Anstieg der Maisproduktion um 33 Mio. t auf knapp 140 Mio. t erwartet. Gleichzeitig steht die Ukraine mit 39 Mio. t (Vj. 36 Mio. t) vor einer neuen Rekordernte.
In Europa fallen die Ernteprognosen in diesem Jahr vorsichtig aus. Trotz einiger Niederschläge ist es in vielen Regionen vom Atlantik bis zum Ural weiterhin zu trocken. Im monatlichen MARS-Bericht der EU-Kommission über die Ertrags- und Vegetationsentwicklung wurde im Mai die Ertragsprognose weiter zurückgenommen. Regional auf sandigen Standorten sind die Schäden bereits irreversibel. MARS hat die Ertragsprognose für Getreide gegenüber dem Vormonat um 0,9 % auf 5,39 t/ha zurückgenommen. Gegenüber dem 5-jährigen Durchschnitt beträgt der Rückgang 3,7 %. Für Roggen ist MARS dabei etwas optimistischer. Gegenüber der Aprilprognose sind es mit 3,9 t/ha ein Minus von 0,5 %. Dies sind aber 4,4 % mehr als im 5-jährigen Durchschnitt. Aufgrund der fehlenden Niederschläge in den ostdeutschen Gebieten und den angrenzenden westpolnischen Provinzen erscheint die Ertragserwartung derzeit leicht zu hoch.
Das USDA hat in seinem Maibericht die erste Schätzung für die weltweite Roggenproduktion veröffentlicht. Die US-Analysten schätzen die Ernte auf 12,8 Mio. t (Vj. 12 Mio. t). Dies wäre das höchste Niveau der vergangenen sechs Jahre. Allein in der EU-27 sollen mit 8,5 Mio. t (Vj. 8,4 Mio. t) 67 % der Weltproduktion erzeugt werden. Eine Erholung der Roggenproduktion wird für Russland und die Ukraine erwartet. In Russland wird gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg der Produktion um 600.000 t auf 2 Mio.t und in der Ukraine um 110.000 t auf 450.000 t prognostiziert. Vorsichtiger wird hingegen die Ernteerwartung in Weißrussland beurteilt. Dort soll die Produktion um 100.000 t auf 550.000 t sinken. Das USDA geht davon aus, dass die regionale Produktion den Verbrauch bestimmen wird. Daher soll sich der Verbrauch in Russland um 300.000 t auf 1,75 Mio. t, in der Ukraine um 75.000 t auf 380.000 t und in der EU-27 um 350.000 t auf 8,35 Mio. t erhöhen. Dagegen wird in Weißrussland ein Rückgang des Verbrauchs um 105.000 t auf 555.000 t erwartet. Neben dem Verbrauchsanstieg sollen sich auch die regionalen Vorräte erhöhen, die weltweit um 300.000 t auf 1,3 Mio. t steigen sollen. Vor allem in Russland werden die sehr niedrigen Vorräte von 90.000 t wieder auf 265.000 t aufgefüllt werden. Insgesamt lässt sich aus der ersten Prognose insbesondere für das östliche Rye Belt eine Entspannung der der Versorgungssituation erwarten. Allerdings steht infolge der fehlenden regionalen Niederschläge noch ein großes Fragezeichen hinter der Prognose.
Durch die verbesserte Versorgungssituation in der Ukraine und in Russland sind beide Länder wieder zurück am weltweiten Exportmarkt. Russland wird wieder vom Nettoimporteur zu Nettoexporteur. Das USDA schätzt die russischen Exporte auf 75.000 t (Vj. 25.000 t) und für die Ukraine auf 50.000 t (Vj. 30.000 t). Wichtigster Exporteur soll im kommenden Jahr Kanada werden, das das Nachbarland USA mit 180.000 t versorgen soll. Die EU-Exporte sollen dagegen von 200.000 t im laufenden Jahr auf 150.000 t fallen. Auch für die EU-27 ist die USA der Hauptabnehmer. Mit 260.000 t hat die USA auf der Importseite ein Marktanteil von 57 %. An zweiter Stelle steht die EU-27 mit 25.000 t.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach zwei Jahren einer knappen Versorgungssituation mit einem Rückgang der Vorräte sich die Lage am Roggenmarkt im kommenden Vermarktungsjahr entspannen wird. Mitten in der Vegetationsperiode werden ausreichende Ernten in den wichtigen Produktionsländern des Rye Belts als auch in Übersee erwartet. Es ist aber zu befürchten, dass die Prognosen die Erträge aufgrund regional fehlender Niederschläge überschätzen. Hinzu kommt, dass insbesondere in Deutschland aufgrund der knappen Futtervorräte der Biogasanlagen und der Rinderhalter Roggen als Ganzpflanzensilage gehäckselt werden wird.
Für die Ernte 2020 wird nur von wenigen Verkaufsgesprächen berichtet. Die Preisnennungen liegen in den ostdeutschen Produktionsgebieten zwischen 130 und 140 €/t ab Station in der Ernte. Die Preisdifferenzen betragen zwischen 30 und 40 €/t zum Weizen und 5 bis 15 €/t unter der Futtergerste. Diese hohen Differenzen sind ein Hinweis darauf, dass es aktuell kein Kaufinteresse für Roggen gibt. Es ist daher ratsam zur Risikoverteilung Weizen zu verkaufen und mit der Roggenvermarktung zu warten.
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Diese Informationen sind sorgfältig erarbeitet. Eine Garantie für Richtigkeit und Vollständigkeit wird jedoch ausgeschlossen. Informationen zusammengestellt von Dr. Reimer Mohr.
