Marktkommentar Roggen - November 2020
Einer weltweit knapper werdenden Versorgung für Getreide steht eine gute Roggenversorgung gegenüber. Im Novemberbericht des USDA wurde der Anstieg der weltweiten Getreidevorräte im laufenden Vermarktungsjahr gegenüber dem Vormonat von 20 Mio. t auf 9 Mio. t nach unten korrigiert. Im Vorjahr betrug der Anstieg lediglich 2 Mio. t. Daraus ließe sich schließen, dass sich die Versorgungslage gegenüber dem Vorjahr verbessert hat. Allein in China (+ 3 Mio. t) und in Indien (+ 8 Mio. t) wird eine Zunahme der Vorräte erwartet. Dagegen gehen die variablen Vorräte der Exportnationen zurück. Vor allem in den USA, dem wichtigsten weltweiten Getreideexporteur, sollen die Vorräte gegenüber dem Vorjahr um 11 Mio. t auf 72 Mio. t sinken. Noch im Oktober war ein leichtes Plus von 1 Mio. t erwartet worden. Im September war das USDA sogar noch von US-Vorräten in Höhe von 93 Mio. t zum Ende des laufenden Vermarktungsjahres ausgegangen. Die Korrektur der Vorräte ist zum einen auf einen Rückgang der Produktion und zum anderen auf eine Korrektur der US-Vorräte zurückzuführen.
Dieser Rückgang der Vorräte trifft auf eine veränderte Angebotslage in Europa.
In Südosteuropa fällt die Maisernte nach der anhaltenden Trockenheit im Sommer und Herbst deutlich niedriger als zuvor prognostiziert aus. Neben Bulgarien und Rumänien ist die Ukraine besonders stark betroffen. Das USDA senkte die Produktionsprognose von 36,5 Mio. t auf 28,5 Mio. t. Noch im August wurde die Produktion auf 39,5 Mio. t geschätzt. Die Exporterwartung ist seitdem von 33,5 Mio. t auf 22,5 Mio. t gesunken.
Das USDA geht davon aus, dass die fehlende ukrainische Exportmenge durch die USA gedeckt werden wird. Daher erhöhte das US-Ministerium die US-Exportprognose von 59 auf 67 Mio. t. Dies ist in etwa die Maisproduktionsmenge der EU-27. Durch die derart hohe US-Exportmenge sinken dort die dortigen Maisvorräte zum 30. August 2021 auf ein Minimum von 43 Mio. t. Die US-Vorräte würden demnach vor Beginn der Maisernte 2021 für lediglich sieben Wochen reichen. Regional dürften damit die Übergangsvorräte knapp werden.
Dagegen hat das USDA die weltweite Roggenproduktion gegenüber dem Vormonat um 500.000 t auf 13,6 Mio. t erhöht. Dies sind 1,5 Mio. t mehr als im Vorjahr. Es ist das höchste Produktionsniveau der vergangenen fünf Jahre. Trotz eines Anstieges des Verbrauchs auf 13,3 Mio. t sollen die Vorräte um 300.000 t auf 1,3 Mio. t steigen. Dies wäre das höchste Niveau der vergangenen vier Jahre. Allein in der EU-27 sollen 800.000 t Roggen am 30. Juni 2021 im Lager liegen. Die EU-27 verzeichnet auch die höchste Steigerung der Roggenproduktion gegenüber dem Vorjahr mit 800.000 t. Allein in der Novemberschätzung wurde die Erntemenge um 550.000 t auf 9,2 Mio. t nach oben korrigiert. Aber auch in Weißrussland (+350.000 t). Russland (+400.000 t), Kanada (+100.000 t) und der Ukraine (+60.000 t) ist die Produktion deutlich gestiegen. Damit ist weltweit die Roggenversorgung gesichert. Die Roggenmühlen rund um den Globus können sicher sein, täglich Roggen kaufen zu können. Auch Biogasanlagen und Bioethanolwerke in Deutschland brauchen sich um die Rohstoffversorgung keine Gedanken machen. Auch die Mischfutterwerke und Landwirte, die in den vergangenen Jahren auf Roggen gesetzt haben, können sich reichlich und günstig versorgen. Aufgrund der sehr guten Versorgungslage auf dem Roggenmarkt ist keine Preissteigerung zu erwarten.
Bei einem Blick auf den gesamten Getreidemarkt wäre dagegen von einem Preisanstieg auszugehen, da sich alle Getreidearten am Futtertisch substituieren können. Die aktuell sehr hohe Preisdifferenz zwischen Roggen und Futterweizen im Rye Belt von 30 bis 60 €/t bei einer Futterwertdifferenz in Abhängigkeit der Tierart zwischen 8 und 12 €/t müsste aus betriebswirtschaftlicher Sicht sofort zu einem verstärkten Einsatz von Roggen in den Mischfutterrationen führen. Die Folge wäre eine zunehmende Nachfrage nach Roggen in der Tierfütterung und damit müssten die Roggenpreise der Preisentwicklung von Mais und Weizen folgen. In der Theorie nähert sich die Preisdifferenz am Markt der Futterwertdifferenz an. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum die Annäherung noch auf sich warten lässt.
In den vergangenen Jahren haben weltweit die Nachfrager zwischen 12 und 12,5 Mio. t Roggen gekauft. Dabei handelte es sich in der Regel um eine feststehende Käuferschicht. Hierzu zählen neben den Roggenmühlen, die Bioethanol- und Biogasanlagen in Deutschland, die Whiskeyhersteller in den USA und vornehmlich im Rye Belt die Mischfutterwerke. In diesem Jahr muss insbesondere in der EU-27 gegenüber den Vorjahren 1 Mio.t Roggen mehr verkauft werden. Die bestehenden Käufer sind häufig bereits eingedeckt. Es müssen folglich neue Käufer vor allem am Futtertisch gefunden werden. Neue Käufer müssen erst einmal mit Roggen vertraut gemacht und vom „neuen“ Produkt überzeugt werden. Bei Ihnen steht der Preis besonders im Zentrum der Entscheidung. Dies führt dazu, dass am Roggenmarkt aktuell von einem Angebotsüberhang gesprochen werden kann. Es ist aber zu erwarten, dass durch die hohen Preise für Mais, Futterweizen und Triticale in den kommenden Monaten viele Mischfutterhersteller nach günstigeren Komponenten wie Roggen aber auch Sorghum suchen werden. Das Gesetz des Marktes über Angebot und Nachfrage und die Austauschbarkeit der Getreidearten am Futtertisch lassen erwarten, dass die hohe Preisdifferenz abgebaut werden wird.
Im östlichen Rye Belt insbesondere in Russland sind die Preise für Getreide im Oktober stark gestiegen. Der Weizenpreis stieg um 1.960 RR/t (22 €/t) auf 15.410 RR/t (171 €/t) und für Futterweizen um 2.003 €/t (22,5 €/t) auf 13.980 RR/t (155 €/t). Dieser Anstieg spiegelt sich auch in den Schwarzmeerhäfen wider. Dort wurde fob Hafen der Brotweizen Mitte November mit 215 €/t bewertet und lag damit auf dem Preisniveau fob französischen Exporthafen in Rouen. Der Preisanstieg am Roggenmarkt fiel im gleichen Zeitraum mit 700 RR/t verhältnismäßig niedrig aus. Er notierte in der ersten Novemberwoche mit 10.850 RR/t (121 €/t). Im vergangenen Vermarktungsjahr lag der Brotroggenpreis nach der niedrigen Roggenernte noch oberhalb des Futterweizenpreises. Die leichten Überhänge am Markt könnten problemlos in der heimischen Tierproduktion verwendet werden.
In der Ukraine ist Brotweizen infolge der hohen Exporttätigkeit der vergangenen Monate mit 7.800 UAH/t (236 €/t) sehr teuer. Roggen ist zwar im Vergleich zu Weizen mit 5.800 UAH/t (176 €/t) günstig, aber gegenüber den Nachbarländern deutlich teurer. In Polen ist der Druck für Roggen weiterhin sehr hoch. Im Vergleich zum Vorjahr ist dort die Produktion von 2,5 Mio. t auf 3,1 Mio. t gestiegen. Neben den Anstieg der Anbaufläche um 50.000 ha auf 950.000 ha stieg der Ertrag um 0,5 t/ha auf 3,2 t/ha. Von Mitte Oktober bis Mitte November stieg der Brotroggenpreis um 40 PLN/t (9 €/t) auf 590 PLN/t (132 €/t). Im gleichen Zeitraum erhöhte sich der Weizenpreis um 60 PLN/t (13 €/t) auf 850 PLN/t (191 €/t). Damit ist die Preisdifferenz mit 260 PLN/t (57 €/t) zwischen Brotweizen und Brotroggen am höchsten. Da Futterweizen nur knapp unter dem Brotweizenpreis notiert, wird deutlich, dass in Polen der Roggen stark unterbewertet ist.
Auch in Deutschland und Dänemark bewegt sich der Roggenmarkt derzeit nicht. Während in den deutschen Verbrauchsregionen Weizen zwischen 195 und 215 €/t franko Verarbeiter gehandelt wird, wird für Brotroggen zwischen 160 und 170 €/t notiert. Die Landwirte in den ostdeutschen Produktionsgebieten nennen Preise zwischen 135 und 145 €/t. Gleichzeitig verkaufen sie Brotweizen zwischen 190 und 205 €/t. Das hohe Preisniveau wird in der Nähe der Exporthäfen erzielt. In Dänemark ist der Roggen von Mitte Oktober bis Mitte November um 60 DKK/t (8 €/t) auf 1.072 DKK/t (144 €/t) ab Station gestiegen. Damit war der Roggenpreis 260 DKK/t (35 €/t) niedriger als der Futterweizenpreis. Auch den dänischen Schweinehaltern ist zur Senkung der Futterkosten der Einsatz von Roggen zu empfehlen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Roggen auch drei Monate nach der Ernte weiterhin stark unterbewertet ist. Aktuell fehlt das Kaufinteresse der Kunden. Dies wird sich aufgrund Unterbewertung des Roggens in den kommenden Wochen und Monaten ändern. Daher ist es ratsam den Roggen weiterhin im Lager zu behalten. Aufgrund der insgesamt starken weltweiten Nachfrage nach Getreide und dem begrenzten Futtergetreideangebot, insbesondere in der EU-27, ist zu erwarten, dass in der ersten Jahreshälfte 2021 die Preislücke zwischen Roggen auf der einen Seite und Mais und Weizen auf der anderen Seite deutlich kleiner werden wird. Daher ist im neuen Jahr mit einem Preisanstieg am Roggenmarkt im Rye Belt zu rechnen.
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Diese Informationen sind sorgfältig erarbeitet. Eine Garantie für Richtigkeit und Vollständigkeit wird jedoch ausgeschlossen. Informationen zusammengestellt von Dr. Reimer Mohr.
