Von fern scheint hier die Pop Art zu grüßen, kunsterprobte Betrachter fühlen sich etwa an Claes Oldenburgs monumentalen Repliken profaner Alltagsgegenstände erinnert. Doch Arztmann, 1983 in Göttingen geboren, ausgebildet an den Kunstakademien in Wien und Münster und nach wie vor in der westfälischen Stadt lebend, hat ihren ganz eigenen, einprägsamen, aber doch nur schwer zu beschreibenden Stil: Manchmal schrill, protzig und provokant, oft aber auch poetisch, leise und durchaus ein wenig rätselhaft.
„Arztmanns Objekte verzaubern das Alltägliche, sie unterlaufen eindeutige Zuordnungen und zwingen uns zum genauen Hinsehen“, sagte KWS Vorstand Peter Hofmann am Eröffnungsabend - und ergänzte mit Blick auf die schon beeindruckend umfangreiche Ausstellungbiografie der Künstlerin: „Gerade in unseren rationalen Zeiten haben die Menschen ein Bedürfnis nach einem Funken Magie. Vielleicht erklärt das den Erfolg von Julia Arztmanns zauberhaften Objekten.“
Spannende Nachbarschaften unterschiedlicher künstlerischer Medien – Plastik, Video und Fotografie – und Stimmungen hat die Künstlerin in den beiden Räumen der Galerie hergestellt. Skurriles wie ein kleiner, glitzernder Reliquienschrein, den die Künstlerin für einen ihrer Milchzähne gefertigt hat, trifft hier etwa auf einen voluminösen Kokon, der aus einer Vielzahl von Kaninchenfellen zusammengenäht wurde und im Inneren mit einem kindlich gemusterten Stoffpatchwork ausgekleidet ist. Etwas Bergendes geht von der flauschigen Höhle aus – ein Schutzraum, eine Art Uterus, in den sich verkriechen kann, wem die Welt da draußen zu laut und anstrengend ist. Zu etwas ganz und gar Anrührendem wird die Skulptur mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Objektmacherin für ihren pelzigen Hingucker Kaninchenfelle verwendet hat, die allesamt von Tieren aus elterlicher Haltung stammen und emotionale Bezugspunkte in der Kindheit der Künstlerin waren.
Bei allen persönlichen Erfahrungen, mit denen die Objekte von Julia Arztmann aufgeladen sind, geht es der Künstlerin doch vor allem darum, dass sie ästhetisch und formal überzeugen, nach bildhauerischen Kriterien „funktionieren“. „Die Musikkassetten haben mich nicht nur gereizt, weil sie Teil meiner Kindheit waren, sondern vor allem, weil mich ihre Formensprache herausfordert.“
Wenn Julia Arztmann eine Mission hat, dann wohl diese: Sie adelt mit ihren facettenreichen textilen Anverwandlungen Objekte, die gemeinhin für allzu banal erachtet und geflissentlich übersehen werden. Sei’s das Hasenfell, die Audiokassette, ein Schnapsglas - oder eben der Milchzahn im funkelnden Schrein.
Infos:
Die Ausstellung ist bis zum 11. November in der Tiedexer Straße 20 a/b in Einbeck zu sehen: mittwochs von 11 bis 13 Uhr und 15 bis 17 Uhr, freitags von 16 bis 18 Uhr und sonnabends von 11 bis 13 Uhr.
Im Rahmen der Denkmalkunst ist von Samstag, 30.9.2017 bis Samstag, 7.10.2017 von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr durchgehend geöffnet.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. Er wird mit begleitender Jazz-Musik von Andreas Jaeger am Mittwoch, den 4.Oktober um 19.30 Uhr, in der Art Lounge vorgestellt.