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Ausstellung:
Gegenhochdoppel - Degenhard Andrulat

Alle Mitwirkenden wurden unmittelbar vor dem Dreh negativ auf COVID-19 getestet.

Bewegung und die Grenzen von Bewegungsradien

Bewegung und die Grenzen von Bewegungsradien, Freiheit und ihre Einschränkung sind in Zeiten einer Pandemie Zustände, die uns als Individuen und als Gesellschaft wieder verstärkt in die Sphäre des Politischen rücken. Im malerischen Oeuvre Degenhard Andrulats bilden die Bewegung und ihre Grenzen ein Spannungsfeld, das allererst konstitutiv ist für das entstehende Bild. Farbschicht um Farbschicht wird in einem Malprozess aufgetragen, bei dem der körperliche Bewegungsradius des Künstlers die Möglichkeiten und Grenzen des Bildes vorgibt. Die Länge eines Pinselstriches hängt dabei von der Spannweite des auf und ab streichenden Armes, der hin und her schwenkenden Bewegungen des Handgelenks oder der Schwung ausholenden Rotation des Schultergelenks ab. So entstehen mitunter die Körpergröße des Künstlers wiedergebende, großformatige abstrakte Malereien, die in ihrer Rhythmisierung nicht selten anmusikalische Notationen denken lassen.

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Doppeltgraubewegtes Golden Red. und
Permanent seitensenkrecht bewegtes Blau.

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Kein Pinselstrich wird zufällig gesetzt, sondern immer als Reaktion auf den vorhergehenden

Es sind vor allem vertikale Linien- und Farbverläufe, die den Bildaufbau in Andrulats Werken bestimmen. Dabei wird kein Pinselstrich zufällig gesetzt, sondern immer als Reaktion auf den vorhergehenden. Sukzessiv entsteht so ein bildnerisches Umfeld, in dem jeder Strich und jede Farbnuance den malerischen Gedankenprozess des Künstlers festhält. Den Vertikalen werden immer wieder horizontale Elemente hinzugefügt, die so angeordnet werden, dass sie die vertikale Fließrichtung im Bild unterstützend mit aufbauen. Das bemerkenswerte an Andrulats Malweise mit vielen übereinander liegenden Farbschichten ist, dass darin Vexierspiele von Raum und Tiefe entstehen, so dass es einem als Betrachter:in schwer fällt, auszumachen, ob das Grün über dem Gelb oder das Grau unter dem Rot oder aber alles andersherum aufgetragen ist. Hier verdichten sich Farben, um dort wieder zu verschwinden. Diese Art des Farbauftrags hebt zum einen die Farben selbst und zum anderen die Lichtverhältnisse des Bildes in den Vordergrund.

Besonders schön ist diese Beobachtung an dem Gemälde „Doppelgraubewegtes Golden Red“ auszumachen. Senkrecht gesetzte Pinselstriche undelliptische Spiralbewegungen setzen sich zu einem vertikal aufgebauten Bild zusammen. Grün-graue, orange-rote, weiße und bunt dunkel graue Farbtöne akzentuieren, verstärken und schwächen sich gegenseitig ab. Hell-Dunkel Schattierungen und nach oben strebende Bewegungslinien entstehen. Gleichzeitig geht von dem Bild eine Art Sog aus, die letztlich auch uns als Betrachter:innen in Bewegung versetzt.

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Rubinversetztes Heliocöelin., Blaues Rot, doppelt versetzt. und Alizarinvertikaler Böhmischgrund.

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"Degenhard Andrulat führt vor, dass sie [die Malerei] mitnichten tot ist, sondern in Zeiten eingeschränkter Bewegung die Fähigkeit besitzt, unsere eigenen Grenzen und Horizonte zumindest für den Moment der Betrachtung aufzulösen und zu erweitern." - Elmas Şenol

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Inselrubin, cyclambenetzt., Erdig gefallenes Querkobalt. und Doppelgraulanges Blau. oder Artist in Residence in Venedig

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Bilder, die einen Horizont festlegen

Seine eigenen Spaziergänge durch eine Stadt wie Venedig und deren ganz spezifische architektonische Fluchtlinien „notiert“ Degenhard Andrulat in seinen Skizzenbüchern. Sie lassen sich später in Gemälden wie „Blaues Rot, doppelt versetzt.“ oder „Rubinversetztes Heliocöelin.“ wiederentdecken. Und auch dies ist eine Besonderheit im Werk des Künstlers: Die Titel der Gemälde verweisen immer nur auf den Malprozess und dabei insbesondere auf die jeweilige Farbstimmung. Die Malereien sind jedoch nicht als Wiedergabe konkreter Landschaften oder Orte zu verstehen. Vielmehr geht es Andrulat darum, mit den Stilmitteln der Malerei Bilder zu schaffen, die einen Horizont festlegen und damit zur eigenen Positionierung und Selbstvergewisserung innerhalb dieses Rahmens beitragen. Natürlich, ist es der Betrachter:in überlassen, in diesen Bildern Landschaften wie dicht bewachsene Wälder, mäandernde Flussläufe oder weitläufige Felder zu erkennen.

In all dem visualisieren und verdichten sich Fragen und Antworten darauf, wie Malerei, die in der Kunstgeschichte schon unzählige Male totgesagt wurde, im 21. Jahrhundert aussehen kann. Degenhard Andrulat führt vor, dass sie mitnichten tot ist, sondern in Zeiten eingeschränkter Bewegung die Fähigkeit besitzt, unsere eigenen Grenzen und Horizonte zumindest für den Moment der Betrachtung aufzulösen und zu erweitern.

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Inselrubin, cyclambenetzt., Erdig gefallenes Querkobalt. und Doppelgraulanges Blau.– Monotypien als Bücher

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Gegenhochdoppel - Degenhard Andrulat
nur online, ab 24. Juni 2021
Kunst im BiT, KWS SAAT SE & Co. KGaA
Grimsehlstraße 31, 37574 Einbeck

Mehr über den Künstler und seine Werke

Künstler: Degenhard Andrulat

In seinem malerischen Oeuvre beschäftigt sich Degenhard Andrulat mit der Darstellung von Licht und Raum, ohne dabei jemals figurativ zu werden. In der KWS zeigt der in Hannover lebende Künstler nun eine Reihe an abstrakten Malereien, darunter auch seine neuesten Monotypien, die während eines Studienaufenthaltes in Venedig 2019 entstanden sind.

www.degenhard-andrulat.de

Künstler Degenhard Andrulat | Foto: Hannes Malte Mahler

Künstler Degenhard Andrulat | Foto: Hannes Malte Mahler

Kunsthistorikerin Elmas Şenol | Foto: Volker Crone

Kunsthistorikerin Elmas Şenol | Foto: Volker Crone

Kunsthistorikerin: Elmas Şenol

Elmas Şenol (*1986 in Köln) lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Englisch in Bonn und Rom. 2018 kuratierte sie die erste institutionelle Einzelausstellung der Guerrilla Girls in Deutschland – gerade zum Höhepunkt der #metoo und #notsurprised Debatte.

Ihr kuratorisches Interesse liegt besonders auf künstlerischen Positionen, in denen formale Ästhetik auf Inhalte mit gesellschaftlich relevanten Themen treffen.

Ihr Ansprechpartner

Bettina Alex
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Public Affairs & Arts
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