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Es geht um die Zukunft der Kartoffel: Saatgut statt Knolle

Es geht es um etwas wahrlich Großes: die Zukunft der Kartoffel. Sie ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel überhaupt. Allein die Deutschen essen rund 60 Kilogramm der Knollen im Jahr, die Letten kommen gar auf das Doppelte. Aufgrund ihrer genetischen Ausstattung sind Kartoffeln allerdings nur sehr schwer zu züchten. Um dies zu vereinfachen und zu beschleunigen, hat sich KWS mit dem ebenfalls familiengeführten US-Unternehmen J.R. Simplot Company zusammengetan, einem der weltweit führenden Verarbeiter von Agrarprodukten.

Gemeinsam haben sie das neue Unternehmen Aardevo geründet. Die Partner halten je 50 Prozent an diesem Joint Venture. Damit gehen KWS und J.R. Simplot Company ganz neue Wege beim Züchten, Vermehren und dem Anbau von Kartoffeln. Das neue Unternehmen hat seinen Sitz am alten Standort von KWS Potato im niederländischen Nagele, unweit des IJsselmeers an der Nordseeküste. Bei Aardevo arbeiten Züchter und Forscher daran, neue Kartoffelsorten mit verbesserten Eigenschaften schneller als bisher auf den Markt zu bringen.

Blick ins Erbgut

Damit stellen sich die Experten einer Herausforderung: Derzeit dauert es bis zu 15 Jahre, um eine neue Sorte zu züchten. Das ist selbst für die Verhältnisse von Pflanzenzüchtern eine sehr lange Zeit. Ein Blick ins Erbgut der Kartoffel macht deutlich, warum dieser Prozess so langwierig ist.

Die heutigen kommerziellen Kartoffelsorten sind tetraploid. Dieser biologische Fachbegriff sagt aus, dass Kartoffeln vier Chromosomensätze haben (zum Vergleich: Beim Menschen sind es nur zwei Chromosomensätze). In den Kartoffeln liegt jedes Gen – und damit jede ihrer Eigenschaften – in gleich vier unterschiedlichen Ausprägungen vor. Das hat weitreichende Folgen.

Wer tetraploide Pflanzen miteinander kreuzt, erhält Nachkommen mit einer sehr großen genetischen Vielfalt. Die Nachkommenschaft von Pflanzen, die nur zwei Genkopien enthalten (Züchter nennen das diploid), weist hingegen eine deutlich geringere Vielfalt auf. Die große genetische Vielfalt der Kartoffel hat zur Folge, dass es länger als bei anderen Pflanzen dauert, die gewünschten Eigenschaften im Züchtungsprozess herauszufiltern.

„Wir wollen schneller werden“

„Wir wollen schneller werden“, sagt der Niederländer Paul van den Wijngaard. Er leitet das Joint Venture. Dieser Satz ist schnell gesagt, das Umsetzen wird deutlich länger dauern. Der Plan ist, die genetische Komplexität der Kulturkartoffel auf ein „züchterisch akzeptables Ausmaß“ zu reduzieren, sagt van den Wijngaard. Das geschieht, indem die Zahl der Chromosomensätze von vier auf zwei reduziert wird. Dadurch kann wie bei anderen diploiden Fruchtarten wie zum Beispiel Mais und Zuckerrüben deutlich schneller neue Eigenschaften wie Resistenzen gegen Krankheiten oder Verarbeitungsmerkmale in die Pflanzen bringen. Auf diese Weise lassen sich diploide Kartoffelsorten züchten, die besser an die Anforderungen aus Umwelt, Verbraucher und Verarbeitung angepasst sind.

Mit dem neuen Ausgangsmaterial wird das Züchten neuer Kartoffelsorten deutlich beschleunigt. Denn van den Wijngaard und sein Team werden dank der reduzierten genetischen Komplexität die gewünschten Merkmale gezielter und wesentlich schneller selektieren und dann neu miteinander kombinieren können. Dazu gehören Merkmale wie Resistenzen gegen verschiedene Krankheitserreger.

  • Das Züchten neuer Kartoffelsorten ist ein langer Weg. Wir gehen ihn mit ganz neuen Ideen.

    Susanne Holzapfel, KWS
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Viele Landwirte legen zudem Wert auf hohen Ertrag. Manche Verbraucher wünschen sich einen besonderen Geschmack. Für besonders lange Pommes frites benötigen die Hersteller naturgemäß besonders große Kartoffeln. Und Spargelfreunde schätzen häufig auch Frühkartoffeln, die zwar kleiner bleiben, aber dafür schon im Mai auf dem Tisch stehen. Form, Stärkegehalt und Lagerfähigkeit sind weitere Eigenschaften, die Züchter verändern möchten.

Dies zeigt zugleich, warum Simplot und KWS gut zusammenpassen. In ihrem Gemeinschaftsunternehmen Aardevo vereinen sie die Erfahrung und das Know-how in der Hybridpflanzenzüchtung von KWS mit der Expertise auf dem Kartoffelmarkt von Simplot, dem größten familiengeführten Agrarunternehmen der USA.

Der nächste Schritt

Die mit diesem Know-how optimierten Sortenkomponenten könnten im nächsten Schritt als Vater- und Mutterlinien für die Produktion von Kartoffel-Hybridsaatgut dienen. „Das wäre eine Innovation, die die Landwirtschaft tiefgreifend verändern könnte“, sagt van den Wijngaard.

Bislang werden Kartoffeln klonal vermehrt, das heißt: Die Vermehrer von Saatkartoffeln behalten einen Teil der Kartoffelernte zurück. Fahren sie in ein dunkles, kühles Lager. Kontrollieren sie den ganzen Winter über. Behandeln sie gegen Schädlinge. Laden die Knollen im Frühjahr erneut auf den Hänger. Fahren sie wieder aufs Feld. Pflanzen sie wieder aus. Der Ablauf zeigt: Die Transport- und Lagerlogistik ist kosten- und energieintensiv. Ziel von KWS und Simplot ist es, das aufwendige Verfahren zu vereinfachen und damit wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger zu gestalten.

  • Kartoffelsaatgut statt Saatkartoffeln – das hat das Zeug, die Landwirtschaft zu verändern.

    Menno Douwers, KWS
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Auch für die Züchter bedeutet die klonale Vermehrung von Kartoffeln einen Hemmschuh. Während etwa eine Zuckerrübe tausende Samen abwirft, entstehen aus einer Kartoffel kaum mehr als sechs bis acht Knollen. Entsprechend mühsam und langwierig ist das Herstellen ausreichenden Materials für Feldversuche und die Merkmalserfassung, für die eine große Zahl an Nachkommen mit gewünschten Eigenschaften erforderlich ist.

Saatgut statt Knolle

Van den Wijngaard ist davon überzeigt, dass Kartoffelsamen – zumindest als Ausgangsmaterial für das Entwickeln neuer Sorten – aufgrund ihrer vielen Vorzüge in Bezug auf Transport und Handhabung zum Industriestandard werden könnten. „Die Hybridkartoffel hat definitiv das Zeug zum Game Changer.“ Anders formuliert lautet das Ziel: Saatgut statt Knolle. Eine solcher Wandel würde das Logistikproblem nicht nur buchstäblich von LKW- auf Pappschachtelgröße schrumpfen lassen, von 2,5 Tonnen Kartoffelknollen pro Hektar auf weniger als 100 Gramm Saatgut – sondern zudem mehr Qualität und Berechenbarkeit auf die Äcker bringen. Denn der Landwirt kann sich – anders als bei weitaus krankheitsanfälligeren Saatkartoffeln – sicher sein, mit dem Saatgut gesundes und leistungsfähiges Ausgangsmaterial für den Kartoffelanbau zu erhalten. Die Arbeitserleichterung wäre immens.

Das kleine, aus hochgradig optimierten Elternlinien gewonnene Samenkorn wäre ein bahnbrechendes Produkt – entstanden aus dem, was die Partnerschaft von Simplot und KWS so stark macht: Eine führende Position in der Hybridzüchtung und detaillierte Kenntnisse der Anforderungen von Landwirten, Nahrungsmittelerzeugern und Verbrauchern an die Knolle.

Präziser züchten

Praktisch bedeutete dies: Landwirte erhalten durch den beschleunigten Züchtungsfortschritt optimierte Sorten, die bestmöglichen Ertrag bringen und durch Resistenzen gegen Krankheitserreger geschützt sind. Das würde den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel verringern. Lebensmittelerzeuger und Verbraucher wiederum profitieren, weil ihre Anforderungen – etwa an Geschmack, Konsistenz und Verarbeitungseigenschaften der Kartoffel – durch die erweiterten züchterischen Möglichkeiten künftig noch präziser umgesetzt werden.

Freilich ist es noch ein langer Weg bis zur Kartoffel der Zukunft. Immerhin: „Die Forschung an der Hybridkartoffel, die wir bereits seit 2011 intensiv vorantreiben, ist bereits in einem guten Stadium. Wir können ab jetzt neue Sorten entwickeln“, sagt van den Wijngaard. Herausforderungen auf dem Weg dahin sind unter anderem die Produktion genetisch einheitlicher und leistungsstarker Elternlinien für die Hybridzüchtung. „Das erste marktreife Produkt werden wir wohl erst etwa im Jahr 2025 haben.“

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