„ja ja, ok“ – Andre Germar zeigt seine Werke in der „Art Lounge by KWS“

Tiefblaue Bildkompositionen sollen die Besucher in die faszinierende Welt eines historischen, fotografischen Edeldruckverfahrens versetzen und zu Gedanken inspirieren. Es sind Zäune oder besser gesagt Ausschnitte von Zäunen, die hier auf eine ganz besondere Art und Weise gezeigt werden. Der Fotograf und Künstler Andre Germar aus Hannover zeigt 68 Fotogramme, meist als Bildserie, sowie zwei großformatige Wandtapeten in klassischer Fotografie, bei denen der Zaun aber auch lediglich als Schattenwurf zu erkennen ist. Zäune sind für Andre Germar ein Ausdruck gesellschaftlicher Begrenzung – Symbole einer kontrollierenden Ordnung, die er künstlerisch hinterfragt, um Räume für Offenheit und Toleranz sichtbar zu machen. „ja ja, ok“ lautet der Titel der Ausstellung, die bis zum 17. Januar in den Räumen der „Art Lounge by KWS“ in der Tiedexer Straße in Einbeck zu sehen ist.

Die Titel gebende Installation „ja ja, ok“ ist eine schräg im großen Lounge-Raum verlaufende geschlossene Reihe von gerahmten Zaun-Fotogrammen. Die Besucher der Ausstellung können sie mit einem Schritt überwinden; sie lässt jedoch jeden erstmal stoppen, und die im hinteren Bereich des Raumes zu erkennenden weiteren Werke nicht so leicht erreichbar und entfernt wirken. „In jedem Fall führt die Installation zur Auseinandersetzung mit der Begrenzung, dem Zaun, führt zum Nachdenken, die Barriere zu übersteigen“, sagt Andre Germar. „Vielleicht fühlt es sich frei an, die Installation überschreiten zu können.“

Andre Germar nutzt die Technik des Fotogramms, um so genannte Cyanotypien von Zäunen zu erstellen. Sie ist auch als Eisenblaudruck bekannt und ein altes fotografisches Edeldruckverfahren mit blauen Farbtönen. Sein Fotopapier bereitet sich Andre Germar selbst vor, transportiert es lichtdicht zum Ort des Geschehens. Erst dort holt er es ins Licht und drückt es gegen den Zaun, der auf dem Fotogramm zu sehen sein soll. Die Belichtungszeit variiert nach Sonnenstand und Bewölkung, mehrere Minuten sind es jedoch immer, was zu einer zwar zügigen Arbeitsweise führt, die aber durchaus auch großformatige Papiere für einen längeren Zaunabschnitt zulässt, wie eines im vorderen Raum der „Art Lounge by KWS“ zu sehen ist. Nach der Belichtung rollt der Künstler die Papiere wieder in lichtdichten Rollen ein, um die Fotogramme abschließend in der Dunkelkammer mit klarem Wasser zu fixieren. Die unbelichteten Teile bleiben wasserlöslich und können unter fließendem Wasser ausgewaschen werden. Durch Oxidation der verbleibenden Stoffe erhält die Cyanotypie die typische blaue Farbe.

Der Künstler kommt aus der dokumentarischen Fotografie, deshalb arbeitet er auch bei Fotogrammen selten im Studio: 2017 bei einer Arbeit über Sprayer auf Bahngeländen entstand die Idee, die Technik des Fotogramms bei Zäunen zu nutzen, er arbeitet mit Licht und Schatten, um dessen Strukturen in abstrahierter Form leuchtend blau sichtbar zu machen. Zäune verschiedener Art, vom Maschendraht über den Bauzaun bis zum Sicherheitsdraht einer Justizvollzugsanstalt, wurden zu seinen Objekten. In einem Fall ist auch ein moderner Doppelstabmattenzaun zu erkennen. „Meine Haltung zum Zaun hat sich verändert“, beschreibt Andre Germar seine Entwicklung in den vergangenen Jahren. Zäune seien autoritär, machten deutlich, hier gehe es nicht mehr weiter. Zäune könnten aber ebenso auch Schutz bieten. Das sei immer eine Frage der Perspektive, sagt der Künstler.

In der Ausstellung in der „Art Lounge by KWS“ zu sehen sind meist Serien von Fotogrammen, bei einigen Einzelbildern sind vor dem Zaun stehende Gräser oder Pflanzen mit belichtet worden. Andere Fotogramme brechen bewusst die Strenge von Zäunen, indem der Maschendraht gebogen oder schräg abgerundet ist.

Bildnachweis Florian Spieker / Spieker Fotografie