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    Winterweizen

Roste als neue Leitkrankheiten?

Hagen Koppe, Pflanzenbauberater


Frühling 2024

In jedem Frühjahr stellt sich ab dem Schossbeginn des Getreides die Frage, welche Fungizidmaßnahmen nötig, also wirtschaftlich sind. Das gilt noch einmal stärker für den Winterweizen, der in den meisten Regionen die höchste Intensität erfordert. Die Witterung ist jedes Jahr etwas anders, vorhandene Resistenzen einzelner Sorten gegenüber bestimmten Krankheiten können gebrochen werden. Beispiel: Plötzlich starker Gelbrostbefall in einer eigentlich als gesund eingekauften Sorte. Dadurch war in den letzten Jahren zumindest regional auf den Betrieben öfters eine stärkere Verunsicherung hinsichtlich der richtigen Maßnahmen zu spüren. Woran liegt es, dass in Teilen Deutschlands in den vergangenen Jahren viel über Rost und etwas weniger über andere Blattkrankheitengesprochen wurde? Werden die Roste unsere neuen Leitkrankheiten im Winterweizen?

Zwar treten die wichtigsten Weizenkrankheiten potenziell überall in Deutschland auf, aber der jeweilige Verlauf und die Bedeutung sind sehr unterschiedlich. In Teilen Süddeutschlands wird schon lange vor allem wegen des relativ hohen Fusarium-Risikos von der notwendigen Abschlussbehandlung gegen die dort wichtigsten Krankheiten Fusarium und (Braun-) Rost in der Fungizidstrategie rückwärts gedacht und im frühen Schossbereich häufig extensiver gefahren. Auch in weiten Bereichen Ostdeutschlands ist vor allem der Braunrost von größter Bedeutung im Weizen. Eine Vorsommertrockenheit ist eher die Regel als die Ausnahme, der Ausgangsbefall des Weizens mit Septoria-Blattdürre ist im Frühjahr geringer und der Befall bleibt durch fehlende Infektionsbedingungen auf niedrigem Niveau. Bleiben noch der Norden und Nordwesten. Hier gab es in den letzten Jahren wohl die größten Veränderungen in der Wahrnehmung einzelner Krankheiten. Lange spielte neben dem Echten Mehltau vor allem die Septoria-Blattdürre die größte Rolle bei den Blattkrankheiten und bestimmte Spritzstart und Spritzfolge. Andere Krankheiten waren, zumindest in der Wahrnehmung, meist von untergeordneter Bedeutung. Der seit 2014/2015 aber wieder stärker auftretende Gelbrost hat die Umstände verändert. Zusätzlich wurde im Jahr 2023 bis in den äußersten Norden ein bedeutender Braunrost-Befall gefunden, zumindest in Nullparzellen anfälliger Sorten.

Gelbrost

Gelbrost

Was sind die Gründe für diese Veränderungen?


1. Der Gelbrost profitiert von seiner Anpassungsfähigkeit

aufgrund verschiedener, immer wieder auch neu gebildeter Rassen und ist dadurch in der Lage, innerhalb kürzester Zeit spezielle Resistenzen einzelner Weizensorten zu überwinden. Eine Verschiebung der Gelbrostrassen, hin zu einem zeitweise sehr hohen Anteil der „Warrior“-Rasse, führte zum stärkeren Auftreten seit 2014. Sorten, die vom Bundessortenamt zur Zulassung zunächst noch die Anfälligkeitsnote „2“ (=sehr gering bis gering anfällig) bekamen, zeigten teilweise schon nach kurzer Zeit im Anbau erheblichen Befall.

Anbauer und Berater mussten in den letzten Jahren in puncto Gelbrost immer wieder neu auf der Hut sein. Gerade im Norden, wo der Gelbrost deutlich früher als in anderen Regionen auftritt, waren die Ertragsverluste bei Nichtbeachtung hoch. Es wurde verstärkt über die Sortenwahl, Witterungsverhältnisse und den Spritzstart nachgedacht, Bestandskontrollen wurden intensiviert. Das sorgte für Gesprächsstoff. Deutliche Unterschiede im Epidemieverlauf auch zwischen anfälligen Sorten haben ebenfalls für Diskussion gesorgt. Dachte man bisher „einmal Gelbrost, immer Gelbrost“ im Bestand, zeigte zum Beispiel die Sorte KWS DONOVAN inzwischen mehrjährig einen bisher ungewohnten Verlauf der Krankheit. Selbst wenn schon früh eine hohe Befallshäufigkeit auftrat, zog sich der Pilz während der Saison meist zunächst von selbst wieder zurück, um dann teilweise später noch einmal aufzuflackern. Diese Eigenschaft war neu, führte aber dazu, dass die Krankheit in der Praxis gut zu kontrollieren war.

2. Die Sortenwahl:
Im Durchschnitt sank die Krankheitsanfälligkeit der wichtigsten Weizensorten in den letzten 10 Jahren in den Einstufungen des Bundessortenamts, selbst was die Roste angeht (s. Abb. 1). Man sieht aber, dass gerade bei Gelb- und Braunrost Ausreißer bei den Sorten zu finden sind, die durch besonders hohe oder niedrige Anfälligkeit herausstechen und damit den jeweiligen Eindruck von Anbauer und Berater besonders prägen können. Zuvor schon beschriebene kurzfristige Resistenzverluste einzelner Sorten verstärken die „Ausreißer-Fraktion“.

Abb. 1: Trend zu mehr Blattgesundheit bei den wichtigsten Weizensorten

Abb. 1: Trend zu mehr Blattgesundheit bei den wichtigsten Weizensorten

3. Die Witterung:
Im Gegensatz zur Septoria tritici profitieren die Roste von der Witterung, die in den letzten Jahren vorherrschte. Dem Braunrost reicht Taubildung über Nacht aus, Gelbrost benötigt etwas mehr Blattnässe und sonnige Witterung. Beide können also die Pflanze auch dann infizieren, wenn es für eine Septoria-Infektion von Niederschlag und Blattnässedauer her nicht reicht. Bei den weniger Septoria-anfälligen Sorten, die sich heute vielfach im Anbau befinden, reicht eine Dauer von 24 Stunden Blattnässe nicht. Es müssen vermutlich doch auch eher wieder 48 Stunden sein. Natürlich spielt hier auch die Temperatur mit hinein und besonders niedrige Temperaturen haben teilweise ebenfalls dazu geführt, dass Infektionen verhindert oder der Epidemieaufbau verlangsamt wurde.

Die Abb. 2 zeigt am Beispiel von drei Standorten über Deutschland im Jahr 2022, dass in dem für eine Septoria-Epidemie wichtigen Zeitraum von Ende März bis Anfang Juni häufiger Phasen mit wenig, bis gar keinen Niederschlägen oder nicht ausreichender Blattnässedauer für eine Septoria-Infektion herrschten. Der Aufbau eines Starkbefalls wurde dadurch verhindert. Erheblich deutlicher ist das Ganze natürlich in trockeneren Regionen. Kam der Regen andersherum zu heftig, kann er sogar zum Abwaschen der Sporen führen. Auch das alles spielte eine Rolle.

Abb. 2: Regional lange Phasen mit wenig bis gar keinen Niederschlägen

Abb. 2: Regional lange Phasen mit wenig bis gar keinen Niederschlägen

4. Der Saattermin:
Probleme mit spezieller Verungrasung haben in den eigentlichen Septoria-Hochburgen inzwischen häufiger zu etwas späteren Saatterminen geführt, was eine schwächere Herbstentwicklung des Weizens mit sich brachte. Im Herbst wurde weniger Blattmasse gebildet und dementsprechend konnten weniger Blattmaterial und Blattetagen über Herbst und Winter infiziert werden. Das hat entscheidenden Einfluss auf die Epidemie bei einem Pilz wie Septoria tritici, der sich im Frühjahr nur noch durch gebildete Pyknosporen über die Blattetagen bis nach oben im Bestand vorarbeitet und nicht durch Sporenflug von außen verstärkt wird.

Ganz anders verhält es sich bei den Rosten. Hier spielt der Saattermin für den Erstbefall im Frühjahr beim Gelbrost zwar auch eine geringe, vor allem beim Braunrost aber so gut wie keine Rolle. Ihre Sporen werden über weite Strecken mit den Luftströmungen transportiert und können so über die Frühjahrssaison hinweg auch in vorher gesunden Beständen Infektionen erzeugen.

5. Düngung und Pflanzenschutz:
Gerade der Befall durch Mehltau hängt oft mit der Stickstoffdüngung zusammen. Durch die Reduktionen der letzten Jahre wurde dem Pilz das Leben etwas schwerer gemacht. Herbizide wie IPU und Chlortoluron, die einen Mehltaubefall fördern können, wurden aufgrund ausgelaufener Zulassung, erhöhter Auflagen oder genügend guter Alternativen weniger eingesetzt.

Fazit

  • Es gibt viele wichtige Faktoren, die den Krankheitsbefall von Winterweizen beeinflussen. Die wichtigsten sind die Sorteneigenschaften und Witterung.
  • Erreger wie die Septoria-Blattdürre oder andere Krankheiten sind nicht gänzlich unbedeutend geworden. In später gesäten, schwächer gedüngten Beständen, weniger anfälligen Sorten und trockeneren Frühjahren können sich viele von ihnen nur nicht so ausbreiten, wie wir es teilweise gewohnt waren. Ändern sich diese Bedingungen, können sie auch mal wieder stärker auftreten. Zum Beispiel taucht alle paar Jahre bei feuchterer Witterung stellenweise auch ein Blattbefall mit Schneeschimmel (Microdochium nivale) auf.
  • Roste werden uns auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Als sogenannte obligate Parasiten sind sie auf grüne Blattfläche angewiesen und profitieren vom Fehlen anderer Krankheiten und der dadurch freigewordenen Blattfläche, sowie von einer häufigeren Witterung mit Sonne und Tau, aber ohne starke und anhaltende Niederschläge.
  • Die genetischen Eigenschaften der einzelnen Weizensorten und die jeweilige Witterung müssen bei der Gestaltung der Spritzstrategie immer berücksichtigt werden, wobei wir auch zukünftig weiter von Überraschungen ausgehen können.

Autor:

Hagen Koppe

Pflanzenbauberater

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