Gibt es noch mehr positive Eigenschaften beim Roggen?
Roggen kann hinsichtlich des Gehalts an essentiellen Aminosäuren mit dem Weizen mithalten, obwohl der Gehalt an Rohprotein deutlich niedriger ist. Da wir uns heute in der Schweinefütterung immer mehr mit einer Rohproteinabsenkung im Rahmen der Stickstoff- und Phosphor-reduzierten Fütterung beschäftigen müssen, ist der Nachteil des Roggens in der Preiswürdigkeit durch den geringeren Rohproteingehalt heute nicht mehr so hoch bzw. gar nicht vorhanden, da ich einige stark stickstoffreduzierte Futter besser mit dem Roggen hinbekomme.
Außerdem hat Roggen hohe Gehalte nativer Phytase, was die Verdaulichkeit des pflanzlichen Phytin-Phosphors verbessert. Das ist für die Einhaltung der neuen Düngeverordnung sehr wichtig, denn so kann mehr Phosphor aus der Ration verwertet werden. Die Phytaseaktivität von Roggen mit ca. 4000 Units/kg ist mehr als doppelt so hoch wie die von Weizen mit ca. 1850 Units/kg. Wir geben aber dennoch zusätzliche Phytase ins Futter, da Roggenphytase nicht pressstabil ist. In Mehlfuttern könnten wir die zusätzliche Phytase aber weglassen.
Roggen gegen Salmonellen – wie sind Ihre Erfahrungen?
Die bereits erwähnte Buttersäure, welche durch die Fermentation der Fruktane aus dem Roggen vermehrt anfällt, hat eine sehr gute Wirkung gegen Salmonellen. In unseren sogenannten „Acid-Mastfuttern“ nutzen wir diese vermehrte Anflutung von Buttersäure im Darm verstärkt noch durch den Zusatz eines Buttersäureproduktes aus. Dadurch drängen wir unerwünschte Keime wie zum Beispiel die Salmonellen im Darm zurück. Erwünschte Keime haben es dadurch leichter, sich durchzusetzen. Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Roggen leistet hier einen wichtigen Beitrag.
Wie beurteilen Sie die Mutterkornproblematik?
Richtig ist, dass früher mit Roggen tatsächlich verstärkt die Gefahr der Verfütterung von Mutterkorn verbunden war, weshalb der Roggen nur in geringen Mengen eingesetzt wurde. Mutterkorn enthält Toxine, die sich negativ auf die Sauenfruchtbarkeit auswirken können. Doch neueste Züchtungen z. B. mit dem POLLENPLUS®-Züchtungssystem sind nur noch wenig anfällig für Mutterkorn. Sie produzieren mehr Pollen, die die Narbe bestäuben, so kann sich der Pilz dort nicht festsetzen. Wir analysieren den angelieferten Roggen natürlich auf Mutterkorn und bei nur geringsten Zweifeln an der Qualität nutzen wir ihn nicht als Futter sondern für die Biogasanlage. Demgegenüber haben wir bei Weizen immer das Problem mit den Fusarientoxinen. Mehr Roggen in der Ration vermindert das Risiko der Fusarienkontamination, das ist speziell für Biobetriebe interessant, die nicht so viel Pflanzenschutz betreiben dürfen.
Setzen Sie Roggen auch bei Sauen und weiteren Tierarten ein?
Als Standardfutter für Sauen und Ferkel nutzen wir Roggen bisher nicht. Mit einer Ausnahme: bei Duroc-Ferkeln, die eine sehr hohe Futteraufnahme haben, setzen wir zwischen 5 bis 13 % Roggen im Futter ein bei 15 bis 30 kg schweren Ferkeln. Durch die Eigenschaften des Roggens wird die Kotkonsistenz besser und die Tiere sind zufrieden und lange satt. Beim Milchvieh hat Roggen den Ruf, über die Stärke den Pansen schneller anzusäuern, was bei rohproteinreichen Silagen günstig sein kann. Es ist aber immer eine Rationsberechnung notwendig.
Wohin geht die Reise bei Roggen im Futter?
Roggen hat durch seine positiven Eigenschaften viel Potenzial. Gerade im Bereich Tierwohl kann er wertvolle Beiträge leisten. Ich hoffe, dass die Vorbehalte gegenüber dem Roggen in der Fütterung an sich verschwinden und die Vorteile erkannt werden. Letztlich existieren diese Vorbehalte eher in den Köpfen einiger Schweinehalter, weniger bei den Schweinen an sich – eine gute fachliche Praxis im Einsatz des Roggens vorausgesetzt. Da HANSA schon seit langem viel Roggen im Futter einsetzt, begrüßen wir die neuen Erkenntnisse und die Diskussion rund um den Roggen in der Schweinefütterung. Aber ein Standardmastfutter ist immer auch preisorientiert, und die Akzeptanz der Inhaltstoffe ist eben preisabhängig. Der Markt für Roggen ist auf jeden Fall da, und damit er für uns erschwinglich bleibt, kann der Anbau gerne ausgeweitet werden. Regionen mit leichteren Böden und hoher Schweinedichte können vom Roggen definitiv profitieren.
Dr. Glindemann, vielen Dank für das Gespräch!