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Neue Bedeutung der Sorten zur Kontrolle der Ramularia

Blattflecken in der Gerste

Dr. Michael Heß, freier Autor, ehemaliger Mitarbeiter des Lehrstuhls für Phytopathologie der Technischen Universität München

09.07.2020

Obwohl der Pilz Ramularia collo-cygni schon vor über 120 Jahren beschrieben wurde, ist er erst in den 80er Jahren als Erreger einer Blattfleckenkrankheit der Gerste wiederentdeckt worden. Häufig treten jedoch in der Gerste Blattflecken auf, denen nur schwer eine eindeutige Ursache zugeordnet werden kann und die meist als physiologische Blattflecken (PLS) bezeichnet werden. Vor ungefähr 20 Jahren wurden Fungizide zur Kontrolle von abiotischen Blattflecken in der Gerste zugelassen. Über die Jahre hinweg zeigte sich jedoch, dass es vor allem der pilzliche Schaderreger ist, der entscheidend zu der eigentlichen Symptomatik beiträgt. Durch seinen rapiden Befallsaufbau nach der Blüte wird die Abreife verkürzt und es kommt zu empfindlichen quantitativen und qualitativen Ertragseinbußen.
Aufgrund der starken Verbreitung werden regelmäßig späte Blattapplikationen wirksamer Fungizide durchgeführt. Während anfangs von einem unbedeutenden Schwächeparasiten die Rede war, dem keine Ertragsbedeutung beigemessen wurde, wird jetzt mit einer steigenden Fungizidresistenzproblematik und dem Wegfall von Wirkstoffen der Ruf nach Alternativen in der Bekämpfung laut.

Bedeutung und chemische Kontrolle Die wachsende Bedeutung spiegelt sich besonders in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zur chemischen Bekämpfung wider. Innerhalb von 15 Jahren stieg der Anteil von Fungiziden zur Kontrolle von physiologischen Blattflecken oder Ramularia-Blattflecken auf ungefähr die Hälfte der in der Gerste zugelassenen Produkte an.

Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass die Vielzahl nur auf wenigen Wirkstoffen beruht, wobei einige nur noch eine schwache Wirkung haben. Selbst ursprünglich sehr gut wirksame Produkte zeigten nach langen Jahren des Einsatzes unerwartet rapide Wirkungsverluste durch die Entwicklung von Resistenzen seitens des Pilzes. Seit dem Jahr 2015 konnte dies anfänglich nur auf wenigen Standorten beobachtet werden, doch werden vergleichbare Wirkungsverluste in der Zwischenzeit weit verbreitet und auch aus anderen Ländern berichtet.

Der einzige Wirkstoff, der bisher eine zuverlässige Wirkung bewahren konnte, bleibt Chlorthalonil. Letztes Jahr wurde aufgrund seines ungünstigen Umweltprofils die EU-Wirkstoffzulassung nicht erneuert und er durfte nur noch innerhalb einer Frist aufgebraucht werden. Ein neu entwickelter Azol-Wirkstoff zeigte in Zulassungsversuchen eine gute Wirkung. Wie die Resistenzentwicklung bei einer breiteren Anwendung verlaufen wird, bleibt abzuwarten, da auch hier kein neuer Wirkungsmechanismus vorhanden ist. Die Wirkungsverluste und der Wegfall des Wirkstoffes Chlorthalonil werden die Bedeutung von Ramularia Blattflecken und das Management in der Gerste erneut verändern, aber nicht den Gerstenanbau an sich in Frage stellen. Bei einer optisch sehr deutlichen Wirkung der Fungizide ist anzumerken, dass die Ertragseffekte in den gezielten Feldversuchen zum Wirkstoff Chlorthalonil am Lehrstuhl für Phytopathologie in Freising im Durchschnitt aller Jahre im Bereich von 4 dt/ha lagen, was eine mangelnde Kontrolle anderer Krankheiten nicht kompensieren kann.

Züchtung

Als wichtigste Alternative zur Krankheitskontrolle mit Fungiziden und fester Bestandteil eines Integrierten Pflanzenschutzes ist die Entwicklung und Nutzung resistenter Sorten von zentraler Bedeutung. In zahlreichen Projekten und Ansätzen wurden Unterschiede in der Anfälligkeit von Sorten und Linien gegenüber Ramularia-Blattflecken festgestellt. Trotzdem spielen diese Unterschiede bisher in der Praxis eine untergeordnete Rolle. Dies liegt zum einen daran, dass sich bisher zu sehr auf die Wirkung der Blattfungizide verlassen wurde, zum anderen aber auch, dass es sich nicht um vollständige und genetisch gut beschriebene Resistenzfaktoren handelt, wie sie zum Beispiel gegen Mehltau in der Sommergerste bekannt sind. Eine gezielte Selektion mit klassischen Methoden im Feld wird zudem durch die spät auftretende, sortenabhängige und eher unspezifische Symptomatik (Foto 1) erschwert. Bei den durchaus ausgeprägten Toleranzunterschieden auch im aktuellen Spektrum steht keine aktuell resistente Sorte zur Verfügung.
Darüber hinaus wird immer deutlicher, dass die Ausprägung der quantitativen Resistenz stark abhängig von Genotyp und Umwelt ist. Dies führt dazu, dass Bonituren verschiedener Standorte und Jahre zu einer sehr unterschiedlichen Einschätzung der Sorten führen können. Zusätzlich ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes einer Bonitur zu berücksichtigen. Früh abreifende Sorten zeigen bereits Symptome, während spät abreifende Sorten noch „befallsfrei“ erscheinen, der Befall ist aber letzendlich relativ gleich ausgeprägt. Die Befallserhebung bleibt eine Momentaufnahme. So wurden in Großbritannien seit der Einstufung der Ramularia Blattflecken als wichtige Krankheit über Jahre hinweg die damit einhergehenden Sortenuntersuchungen für die Empfehlungen der zuständigen Organisation durchgeführt. Aufgrund des hohen Aufwands und der starken Schwankungen der Einstufung zwischen den Jahren und Standorten wurde dies allerdings im Jahr 2018 vorerst eingestellt und es wird stattdessen an Methoden für eine zuverlässige Einschätzung gearbeitet.

Blattflecken in der Gerste

Typisch unspezifische Symptomatik der Ramularia-Blattflecken auf Blättern verschiedener Gerstensorten

In einem Teilprojekt der Verbundes BayKlimaFit wurde Sommerbraugerste unter Bewässerung und gezieltem Trockenstress mit konventiellen und molekularbiologischen Methoden auf Resistenz gegenüber Ramularia-Blattflecken bei gleichzeitiger Toleranz gegenüber Trockenheit untersucht. In einem innovativen Versuchsansatz wurde kontrolliert Trockenstress unter Freilandbedingungen erzeugt, um die Reaktion gestresster und ungestresster Pflanzen direkt vergleichen zu können. Die untersuchten Sorten und Linien reagierten im Mittel der Jahre durchaus unterschiedlich unter bewässerten und trockenen Bedingungen.

Es ist wichtig zu bemerken, dass eine unter bestimmten Bedingungen als geringer anfällig gegen Ramularia-Blattflecken bonitierte Sorte nicht notwendigerweise für jeden Standort empfohlen werden kann. Aufbauend auf den Ergebnissen und verbesserten Verständnis sind weitere Forschungsarbeiten unerlässlich, um in Zukunft gezielt auf Ramularia-Resistenz züchten zu können.

Dr. Michael Heß

Dr. Michael Heß

Hinweise zu alternativen Ansätzen zur Kontrolle von Ramularia

  • Eine Alternative zu der Blattbehandlung mit Fungiziden stellt die Befallsreduktion während der frühen, oft symptomlosen, endophytischen Phase über das Saatgut dar.

  • Bei Untersuchungen aus Großbritannien zeigten verschiedene, auch nicht-chemische Saatgutbehandlungen positive Effekte auf Ramularia-Blattflecken. In Feldergebnissen war eine Behandlung mit Dampf vergleichbar mit einer chemischen Variante.

  • Über Behandlungen mit Plasma oder Elektronen liegen bei Ramularia-Blattflecken keine Ergebnisse vor.

  • Trotz einer schwächeren Wirkung der Saatgutbehandlung bieten sich Ansatzpunkte zum Fungizid-Resistenzmanagement oder in der Kombination von physikalischen Behandlungen mit chemischen und biologischen Maßnahmen.

  • Gerade biologische Maßnahmen, wie der Einsatz von Antagonisten, könnten geeignet sein, Ramularia collo-cygni während seiner endophytischen Phase zurückzudrängen.

Bei immer wieder positiven Berichten sind die Ergebnisse hier oft schwankend. Dies kann auch an der verbreiteten Versuchsanstellung liegen, wenn biologische Mittel, die meist protektiv wirken, wie chemische Produkte unter Hochbefall als „Feuerwehrmaßnahme“ kurativ eingesetzt werden.

Die stärkere Wechselwirkung der biologischen Maßnahmen mit der Umwelt und der Sorte machen einen pflanzenbaulich integrierten Ansatz notwendig, um ein ausreichendes Risikomanagement zu erzielen. Hier müssen noch Erfahrungen mit aussagekräftigen, wissenschaftlichen Versuchen gesammelt werden, wobei gerade der Bereich der Biostimulanzien eine starke Entwicklung nimmt.

Ein Wort aus der Züchtung

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