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Der Weg zum guten Roggenbrot

Johannes Scharmann, Produktentwickler in der Backbranche

Winter 2023

Roggen ist momentan sehr beliebt und gilt als einer der „Gewinner“ innerhalb der Getreidearten zwischen Klimawandel und agrarpolitischen Zielen. Einerseits genügsam im Wasserverbrauch, kommt er andererseits auch mit weniger N-Düngung und weniger Fungiziden gut zurecht. Sehr erfreulich ist auch, dass die „inneren Werte“ stimmen. Geringere Mutterkornanfälligkeit, weniger Fusarium und der diätisch so wertvolle Pentosangehalt machen Roggen nicht nur in der Tierfütterung beliebt.

Im Brot – die klassische Roggenverwendung – gibt es hohe Ansprüche an die Qualität. Während die Ernte 2023 sehr regnerisch war, gab es in den Jahren davor oft sehr hohe Fallzahlen und Amylogramm-Werte. Das führte zu Herausforderungen beim Brotbacken in der Backindustrie. Welche Schritte für das Backen eines guten Roggenbrotes nötig sind, erläutert Johannes Scharmann, Produktentwickler in der Backbranche, in diesem Artikel.

Roggenanforderungen

Bei der Herstellung von qualitativ hochwertigen Roggenschrotbroten nimmt die Rohware Roggen einen besonderen Stellenwert ein. Insbesondere die analytische Bestimmung des Amylogramms und der Fallzahl nach dem ICC-Standard sind entscheidende Parameter in der Qualitätsbestimmung. Diese Angaben werden bei jeder Vorabbemusterung bzw. vor jeder Annahme des Roggens erhoben.

Allgemein

„Sowohl bei den Amylogramm- als auch bei den Fallzahlwerten kommt es auf den Grad der Stärkeverkleisterung an. Wenn die Stärke ein zu hohes Verkleisterungspotenzial hat (die Stärke wird nicht durch Enzyme (Amylasen) stellenweise abgebaut), wird als Folge die Brotkrume nur wenig gelockert. Das Gebäck hat ein kleines Volumen und die Frischhaltung ist nur kurz; das Brot fängt schon Stunden nach dem Ausbacken an, beim Schneiden zu krümeln.

Wenn die Aktivität der stärkeabbauenden Enzyme zu hoch ist, dann kommt es zu einer klitschigen Krume. Diese Krume ist nicht tauglich für den Verzehr, sie ballt beim Kauen. Doch wenn man das Optimum anstrebt, dann bleibt die Krume über einen langen Zeitraum saftig, das ist eigentlich das wichtigste Kriterium für die Qualität von Backwaren.“*

*W. Freund, M.-Y. Kim, M. Löns. März 2003, Handbuch Backwaren,2.1.7., 75 Aktualisierung, Behr´s GmbH, Hamburg

Amylogramm

Aufgrund der vorherrschenden Roggeneigenschaften ist das Amylogramm die wichtigste Analysemethode, da diese den Backprozess am ehesten nachstellt und somit die zuverlässigsten Aussagen zu der Backqualität des Roggens liefert. Derzeit zeigt ein Querschnitt der letzten Jahre deutlich höhere Werte als noch in den 90er Jahren. Amylogrammeinheiten über AE1000 und ein Verkleisterungsmaximum >75 °C sind bei Mustern aus dem Getreidehandel keine Seltenheit. Hohe Amylogrammeinheiten bzw. Verkleisterungstemperaturen bedeuten, dass die Enzymaktivität (Stärkeabbau durch Amylasen) im Roggen gering ist, dieses kann mit den genannten Folgen einhergehen.

Roggenmischbrot mit Krumenriss bei zu hoher Fallzahl | Quelle: CSM Deutschland

Roggenmischbrot mit Krumenriss bei zu hoher Fallzahl | Quelle: CSM Deutschland

Fallzahl

Die Fallzahl gibt eine erste Auskunft über die Enzymaktivität im Getreide und gilt im Getreidehandel als Kennzahl für die Roggenqualität (Einstufung Roggen-Brotgetreide FZ >120). In der heutigen Zeit ist die Bestimmung der Fallzahl in der Analytik aber zweitrangig geworden. Bei den derzeitigen Roggensorten ist es möglich, dass es trotz einer niedrigen Fallzahl zu hohen Amylogrammwerten kommt. Die bekannte Korrelation zwischen Fallzahl und Amylogramm ist somit nicht immer gegeben.

Weitere Untersuchungen bei der Roggenverarbeitung sind:

  • Die Überprüfung auf Besatz des Getreides u.a. Getreideschädlinge, Steine, Unkrautsamen usw.
  • Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Kontamination durch möglichen Mutterkornbesatz oder Schimmelpilze wie z. B. Fusarien. Dieses wird durch eine Sichtung des Getreides überprüft.
  • Eine Siebanalyse mit definierter Maschenweite gibt Rückschlüsse über den Anteil an Schmachtkorn.
  • Eine Geruchsprobe durch geschulte Mitarbeiter schließt Fremdgerüche im Roggen bzw. im späteren Endprodukt aus.
  • Zusätzlich wird vor der Verarbeitung ein breites Spektrum an Pestiziduntersuchungen der einzelnen Partien durchgeführt. Diese beinhalten auch die Untersuchung auf mögliche Mykotoxine. Beispielhaft ist hier das Mykotoxin „Ochratoxin A“, welches u.a. durch den Lager-Schimmelpilz Aspergilus ochraceus gebildet wird.

Nachdem der Roggen die strengen Kontrollen der Qualitätssicherung bestanden hat, geht es an die Reinigung des Getreides. Hierzu zählen verschiedene Reinigungsschritte, u.a. Rüttelsiebe, Magnete, Steinausleser und Trieure. Anschließend kann die schonende Vermahlung zu Roggenschrot erfolgen.


Roggenverarbeitung

Für ein ausgezeichnetes Brot, welches dazu noch lange frisch und haltbar ist, bedarf es das ganze Geschick des Bäckers. Insbesondere die geänderten Roggenqualitäten sind eine große Herausforderung in der Verfahrenstechnik bzw. im Herstellungsprozess, die es zu meistern gilt. Wassermengen, Temperaturen und Knetzeiten müssen ständig im Blick behalten werden.

Quellstück/Brühstück

Um die Frischhaltung der Roggen-Schrotbrote zu gewährleisten, ist es gängige Praxis, mit Vorstufen zu arbeiten. Man spricht hier von Quell- und Brühstücken, welche sich u.a. durch Temperaturunterschiede bei der Führung unterscheiden. Durch diese Vorstufen wird das Roggenschrot vorverquollen bzw. die Stärke verkleistert. Die Wasseraufnahme im Teig bzw. Frischhaltung der Brote kann hierdurch deutlich gesteigert werden. Saftige, frische Brote sind hier das Ergebnis.

Sauerteig

Eine Besonderheit in der Roggenverarbeitung ist der Einsatz von Sauerteigen. Beim Sauerteig wird mithilfe von heterofermentativen Mikroorganismen u.a. Milch- und Essigsäure gebildet. Dem Sauerteig kommt hierdurch u.a. die Funktion zur Unterdrückung der stärkeabbauenden Enzyme (Amylasen) zu. Je nach Führung kann der Sauerteig eine gute Triebkraft durch eigene Hefen entwickeln. Weiterhin gibt der Sauerteig dem Brot einen säuerlich-aromatischen Geschmack. Als besonders aromatisch gilt die Herstellung eines „Drei-Stufen-Sauerteiges“. Diese erfordert größte Sorgfalt und gutes Fachwissen. Durch die „Drei-Stufen-Führung“ wird ein besonders feines Aroma und eine gute Triebkraft des Sauerteiges erreicht. Das Brot erhält einen besonderen abgerundeten, leicht säuerlichen Brotgeschmack.

Fazit

Der Klimawandel macht sich in der getreideverarbeitenden Lebensmittelbranche deutlich bemerkbar. Gerade das Erntejahr 2023 zeigt, wie stark schwankend die Qualitäten als auch die Verfügbarkeiten in erforderlicher Qualität sein können. Ein behutsames Anpassen der einzelnen Verarbeitungsschritte bzw. die ständige Überwachung der Abläufe garantieren eine gute Qualität der Endprodukte.

Im vorgelagerten Prozess ist das Ziel, möglichst große Partien einzukaufen, welche eine größtmögliche Homogenität besitzen. Nur so ist es möglich, auf die oben genannten Herausforderungen in der Roggenqualität im Verarbeitungsprozess angemessen zu reagieren.

Die derzeitige Langzeitentwicklung der Roggenqualitäten (hohe Amylogrammeinheiten und hohe Fallzahlen) ist aus technologischer Sicht nicht zufriedenstellend. Ausgewogene Werte im mittleren Bereich stellen das gesuchte Optimum dar. Aus Sicht der weiterverarbeitenden Betriebe in der Lebensmittelbranche ist die Rücksichtnahme auf die Fallzahl und besonders der Amylogrammeinheiten bei zukünftigen Sortenbetrachtungen wünschenswert.


Autor:

Johannes Scharmann
Produktentwickler in der Backbranche

KWS Empfehlung
Brotroggeneignung

Eine vielversprechende Neuentwicklung ist der Hybridroggenstamm KWS CREOR*, der derzeit noch den Zulassungsprozess durchläuft. In ökologischen Anbausystemen hat diese Sorte überzeugende Ergebnisse erzielt. In offiziellen Prüfungen hat sie gezeigt, dass sie passende Fallzahlen und Amylogrammwerte für die Brotroggenerzeugung erzielt. Sie kombiniert die Vorteile der Hybridzüchtung mit den Anforderungen der Verarbeitungsindustrie.


* Stamm RW1922, Bundessortenamt

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Ihr Ansprechpartner

Wiebke Lenge
Wiebke Lenge
Teamleiterin Produktmanagement Getreide / Produktmanagerin Roggen
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