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Expertenwissen

Kühlen Kopf bewahren nach dem Rostjahr 2024

Autor: Gerrit Hogrefe, Berater NU-Agrar

BlickPunkt, Frühling 2025

Das Rostjahr 2024 bleibt als besonderes Ereignis in Erinnerung. Wie und ob dies die zukünftige Sortenwahl beeinflusst, erläutert Gerrit Hogrefe, NU-Agrar Anbauberater.

Die vergangene Pflanzenschutzsaison war in vielerlei Hinsicht herausfordernd. Überdurchschnittliche Temperaturen gepaart mit je nach Region der 1,5 bis 2-fachen Niederschlagsmenge machten den Frühling 2024 zu einem Eldorado für Pilzkrankheiten – ganz zum Leidwesen vieler Landwirte. Besonders dramatisch war die Situation im Kartoffelbau, wo die Krautfäule nach frühem Infektionsbeginn Bestände schnell dahinraffte und vereinzelt sogar Umbrüche notwendig wurden. Ähnlich machtlos sahen sich viele Getreideanbauer der Rost-Epidemie gegenüber. Vor allem in hoch anfälligen Sorten ließen sich einmal angegangene Rost-Infektionen bei anhaltenden Infektionsbedingungen und dauerhaftem Sporenflug kaum mehr aufhalten. Selbst im ansonsten pflegeleichten Roggen rollten die Feldspritzen ein ums andere Mal durch die Bestände, um späte, aber massive Braunrost-Ausbrüche einzudämmen.

Sortenwahl überdenken?

Nach einer solchen Kalamität wird in vielen Betrieben schnell das Sortenportfolio auf den Prüfstand gestellt. Da gilt es Schnellschüsse zu vermeiden und nicht das sprichwörtliche „Kind mit dem Bade auszuschütten“. Die noch präsenten Bilder unter dem Rostdruck leidender Getreidebestände trüben den objektiven Blick auf die richtigen Prioritäten bei der Sortenwahl. An erster Stelle stehen dort mittlerweile Qualitätskriterien wie Proteingehalt und Fallzahl, die unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermarktung sind. Es folgen Ertragspotenzial und Ertragssicherheit am Standort. Mit zunehmender Erwärmung verliert die Winterhärte merklich an Bedeutung – wenngleich kontinentale Standorte weiterhin ein striktes Risikomanagement anwenden und nur einen Teil ihrer Fläche mit auswinterungsgefährdeten Sorten bestellen. Dann folgen Toleranzen gegen schwer bekämpfbare Krankheiten wie Virosen oder Halmbasiskrankheiten sowie Ährenfusarien. Geringe Anfälligkeiten gegen Septoria oder Helminthosporium-Arten schließen sich an. Erst am Ende der Kette der Entscheidungskriterien stehen gute Einstufungen bei Mehltau und Rost.

Biologie und Bekämpfungsmöglichkeiten berücksichtigen

Roste gehören wie Mehltau zu den sogenannten obligaten Parasiten. Diese Pilze benötigen den lebenden Wirt, um sich auf ihm zu vermehren. Im Gegensatz dazu stehen fakultative Parasiten wie Septoria, DTR, Netzflecken oder Rhynchosporium, die ihren Wirt erst abtöten und sich dann auf dem toten Gewebe vermehren. Dieser Unterschied hat Folgen für die Bekämpfungs-möglichkeiten. Während im toten Gewebe keine Wirkstoffe mehr verteilt werden können und befallene Teile der Pflanze bei fakultativen Parasiten unwiederbringlich verloren sind, können obligate Parasiten auch nach Ausbruch der Symptome, also eradikativ, bekämpft werden. Hierfür eignen sich vorrangig die beiden Rostspezialisten unter den Azolwirkstoffen: Tebuconazol und Metconazol. Im kurativen Bereich, d.h. nach Infektionsbeginn, aber vor Ausbruch der Symptome ist auch von den Carboxamiden (Benzovindiflupyr, Fluxapyroxad, Bixafen u.a.) eine gute Wirkung zu erwarten. Bei präventiver Anwendung haben zudem die Strobilurine sehr gute Wirkung gegen Roste. Die in anderen Erregern verbreiteten Mutationen (G143A, F129L), die die Unwirksamkeit von Strobilurinen verursachen, sind für den Rost letal oder mit großen Fitnessnachteilen verbunden und können sich daher in den Rostpopulationen nicht etablieren. Strobilurine sind und bleiben damit ein sehr scharfes Schwert für die Bekämpfung von Rosten – wenn sie denn zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden.

Warum war die Bekämpfung in 2024 so schwierig?

Trotz der zahlreichen Wirkstoffe aus unterschiedlichen FRAC-Gruppen berichtet die Praxis von Situationen, in denen die Roste nicht unter Kontrolle zu bringen waren und letztlich große Ertragsschäden eintraten. Dafür waren vorrangig zwei Umstände verantwortlich:

1. Roste haben kurze Inkubationszeiten (Tab. 1). Ein Zyklus aus Infektion, Inkubation und Symptomausbruch dauert bei Braunrost nur 90 °C-Tage. Bei 15 °C Durchschnittstemperatur sind das gerade einmal 6 Tage. Das erklärt Schilderungen von Praktikern, nach denen innerhalb von 10 Tagen ganze Bestände großflächig befallen waren. Zum Zeitpunkt der letzten Bonitur war die Erstinfektion bereits gesetzt, aber die Inkubationszeit noch nicht abgelaufen und daher auch noch keine Symptome sichtbar. Bereits 10 Tage später waren dann aber schon zwei Zyklen beendet und die Epidemie in vollem Gange.

Tab. 1: Biologische Kenndaten von Krankheitserregern und Ableitungen für deren Bekämpfungstermin

Tab. 1: Biologische Kenndaten von Krankheitserregern und Ableitungen für deren Bekämpfungstermin

2. Rost wird in aller Regel erst bekämpft, wenn die ersten Pusteln gefunden werden. Diese eradikative Bekämpfung erfordert allerdings, dass dann auch die potentesten und schnellsten Wirkstoffe eingesetzt werden. Die Geschwindigkeit der Wirkstoffverteilung in der Pflanze kann an der Wasserlöslichkeit des jeweiligen Stoffes abgelesen werden (Tab. 2). Wichtig ist: Eine hohe intrinsische Wirkung eines Wirkstoffs ist nicht unter allen Bedingungen gleichbedeutend mit zufriedenstellender Wirkung im Feld. Kommt der Wirkstoff dem Pilz aufgrund geringer Wasserlöslichkeit nicht „hinterher“, wird die Wirkung unbefriedigend sein. Auch der weltbeste Marathonläufer wird im 100 m Rennen stets das Nachsehen haben. Umgelegt auf die Azolwirkstoffe bedeutet dies: Als Ausräumer bei starkem Rostbefall sind Tebuconazol oder Metconazol einem Mefentrifluconazol aufgrund der rund 40-fach (!) höheren Wasserlöslichkeit deutlich überlegen. Die vorhandenen Infektionen können so sicher ausgeräumt werden. Allerdings ist von schnellen Wirkstoffen keine lange Dauerwirkung zu erwarten. Der Sprinter gewinnt eben auch keinen Langstreckenlauf. Die zügige akropetale Verteilung führt zur Akkumulation in den Blattspitzen (bis hin zu „Verbrennungen“). Der Blattgrund ist damit bereits einige Tage nach Applikation weitgehend ungeschützt, da die verbliebene Wirkstoffmenge dort nicht mehr ausreicht, neue Infektionen zu verhindern. Wenn – wie in 2024 – eine hohe Sporenmenge im Bestand oder in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhanden ist, kann bereits 4 - 5 Tage nach erfolgreicher Ausräumung die nächste Infektion angehen. Die Folgen in Form von neuen Pusteln offenbaren sich dann weitere 6 - 7 Tage später. So glich die Rostbekämpfung für viele Praktiker dem Kampf gegen eine Hydra.

Tab. 2: Wasserlöslichkeit von Azolen

Tab. 2: Wasserlöslichkeit von Azolen

Wie können wir zukünftig Rostkalamitäten vermeiden?

In bekanntermaßen anfälligen Sorten muss bereits in frühen Stadien (EC 31/32) ein Strobilurin eingesetzt werden, um ansonsten sicher ausbrechenden Infektionen vorzubeugen. Strobilurine schützen nicht nur das getroffene Blatt, sondern je nach Aufwandmenge auch das nächste oder sogar übernächste Blatt, indem sie durch die getroffene Blattscheide auf das darunterliegende, noch eingerollte Blatt diffundieren (translaminare Wirkung).

So können Bestände effektiv vorbeugend gegen Rostarten geschützt werden. Zum Wachstumsregler-Termin in EC 31/32 spitzt bereits das drittletzte Blatt (F-2). Auch bei reduzierter Strobilurin-Aufwandmenge bleibt bei Spritzung zu diesem Termin das vorletzte Blatt (F-1) ebenfalls geschützt. So ist der Zeitraum bis zur regulären Fahnenblattspritzung charmant überbrückt. Da für die Ausbildung des Fahnenblattes nur 70 - 80 °C-Tage benötigt werden, kann sicher vor Ausbruch der ersten Symptome (kurativ) mit Azolen behandelt werden. So bleibt der Bestand „rostfrei“ bis zur Abschlussbehandlung in der Ähre. Diese Strategie funktioniert sowohl in Weizen als auch in Roggen oder Zwergrost-anfälligen Gersten.

Ist der Rost doch ausgebrochen, bedarf es eines schnellen Ausräumers (Metconazol, Tebuconazol) und einer Komponente als Langzeitschutz. Hierfür kommen neben den Strobilurinen vor allem Carboxamide (Fluxapyroxad, Benzovindiflupyr, Bixafen u.a.) in Betracht. Diese können über ein Wirkstoffdepot am Blatthäutchen ebenfalls das nächste noch nicht voll entfaltete Blatt schützen.

Gelbrost-Epidemie

Gelbrost-Epidemie: Kurze Inkubationszeiten (= schnelle Zyklen) sind die Voraussetzung für epidemische Entwicklungen und resultieren bei unterlassener Bekämpfung in den typischen Rost-Nestern, die oftmals schon von weitem sichtbar sind. (Foto: Hogrefe)

Fazit

Für die Bekämpfung kaum einer anderen Krankheit steht eine so breite Palette an wirksamen Wirkstoffen zur Verfügung wie für die Rostarten. Dennoch kam es 2024 zu unkontrollierten Starkbefällen mit empfindlichen Ertragseinbußen. Wird die Bekämpfung in anfälligen Kulturen oder bestimmten Sorten strategisch geplant und bei ausgebrochenen Infektionen konsequent unter Berücksichtigung der Wirkstoffeigenschaften gehandelt, muss sich 2024 nicht wiederholen. Eine Rechtfertigung für einen Umbruch im Sortenspektrum aufgrund der Rostanfälligkeit ist das vergangene Jahr in jedem Fall nicht.


Autor:

Gerrit Hogrefe
Berater NU-Agrar

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