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Nachhaltigkeit in der Tierernährung

Was treibt KWS in diesem Sektor mit Roggen voran?

September 2023

Die Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Tierproduktion hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Auf welchem Hintergrund KWS einen Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Tierernährung mit Roggen liefert, erklären Andreas von Felde und Claus Heuer vom Globalen Produktmanagement Getreide der KWS.

Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für KWS?

Andreas von Felde: In der heutigen Zeit stehen die Tierproduktion und die damit verbundenen Praktiken zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit, der Regierungen, der Unternehmen und der Verbraucher. In unserer täglichen Arbeit ist die Nachfrage zu diesem Thema bei Getreide auf die oberste Position gerutscht, noch vor die fütterungstechnischen Aspekte von Hybridroggen.

Hier sind einige wichtige Aspekte zu nennen, die die Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Tierproduktion verdeutlichen:

1. Umweltverträglichkeit

Durch die Emission von Treibhausgasen, den Verbrauch von Wasser und Energie, den Anbau von Futtermitteln und den Einsatz von Düngemitteln kann die Tierproduktion erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Nachhaltigkeitsbemühungen zielen darauf ab, diese Auswirkungen zu minimieren und umweltverträglichere Praktiken zu fördern.

2. Tierschutz und Tierwohl

Die Art und Weise, wie Tiere in der Tierproduktion gehalten und behandelt werden, ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit. Verbraucher und Gesellschaft sind zunehmend besorgt über das Wohlbefinden der Tiere in landwirtschaftlichen Betrieben. Nachhaltige Tierproduktion strebt an, Tierschutzstandards zu verbessern und tiergerechte Haltungsbedingungen zu fördern.

3. Soziale Verantwortung

Nachhaltigkeit in der Tierproduktion beinhaltet auch die Anerkennung und den Schutz der Rechte und Bedürfnisse der Menschen, die in der Branche arbeiten. Dies schließt faire Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und den Schutz vor Ausbeutung mit ein.

4. Ressourceneffizienz

Das Ziel ist, die Effizienz bei der Nutzung von Ressourcen wie Land, Wasser und Futtermitteln zu erhöhen, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren und die Lebensgrundlagen für kommende Generationen zu erhalten.

5. Gesundheitliche Aspekte

Eine nachhaltige Tierproduktion trägt auch zur Gesundheit von Mensch und Tier bei. Sie kann den Einsatz von Antibiotika und anderen Medikamenten reduzieren, um die Resistenzentwicklung zu vermeiden, sowie die Qualität und Sicherheit von Tierprodukten für den Verbraucher verbessern.

6. Markt und Verbrauchernachfrage

Die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln, einschließlich tierischer Produkte, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Verbraucher sind zunehmend bereit, für Produkte zu bezahlen, die ethisch und umweltfreundlich hergestellt werden. Unternehmen reagieren auf diese Nachfrage und setzen vermehrt auf nachhaltige Praktiken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Viele Länder, Unternehmen und Organisationen setzen sich für eine nachhaltigere Tierproduktion ein, um eine positive Veränderung zu bewirken.


In welchen Sektoren der Tierproduktion spielt sie bereits eine wichtige Rolle?

Andreas von Felde: Der CO2-Fußabdruck spielt in mehreren Sektoren der Tierproduktion eine besonders große Rolle, da die Emissionen von Treibhausgasen, insbesondere Kohlendioxid (CO2), einen erheblichen Einfluss auf die Umwelt und den Klimawandel haben. Hier sind einige Sektoren, in denen der CO2-Fußabdruck eine bedeutende Rolle spielt. Ich beziehe mich hier auf eigene Einschätzungen, die durch die Projekte mit Verarbeitern und Landwirten geprägt sind. Grundsätzlich sind natürlich alle Tierhaltungssysteme emissionsrelevant. Das sind aber die Herstellungsprozesse von Fleischalternativen auch:

1. Milchproduktion

Ähnlich wie bei der Rindfleischproduktion tragen Milchkühe durch Methanemissionen zum CO2-Fußabdruck bei. Auch der Energieaufwand für die Kühlung, Verarbeitung und den Transport von Milchprodukten trägt zu den Emissionen bei. Heute arbeiten viele Molkereien an CO2-Vermeidungsstrategien. Die Milchviehhalter werden mehr und mehr über LCA’s (Lebenszyklusanalysen) an dieser Stelle eingebunden. An sich ist die Milchkuh durch ihr Pansensystem ein hoch effizientes Tier in der Verwertung von Nicht-Lebensmitteln (Gräsern etc.) zu hochwertigen Lebensmitteln.

2. Schweine- und Geflügelproduktion

Diese Sektoren haben im Vergleich zu Rindern tendenziell einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck, da sie weniger Methan produzieren. Dennoch erzeugen auch Schweine und Geflügel Treibhausgasemissionen, hauptsächlich in Form von Lachgas aus Düngemitteln und bei der Verwaltung von Tierexkrementen. Der größte Einzelfaktor in diesen Lebenszyklen stellt jedoch das Futter mit etwa 60 – 80 % der Gesamtemissionen dar. Das macht unser 6-R Konzept neben weiteren Optimierungen so interessant. Das Schwein ist in besonderer Weise in der Lage, Nebenprodukte der Mühlenindustrie (Kleien und Nachmehle), der Nahrungsmittelindustrie (Altbrot, Kekse etc.) und der Bioäthanolindustrie (DDGS wie Protigrain etc.) zu verwerten und ist damit außerordentlich klimaschonend. Dürften hier auch noch Nebenprodukte der Schlachtindustrie (Knochenmehle etc.) wieder Zugang finden, so wäre das zusätzlich günstig.

Angesichts der steigenden globalen Nachfrage nach tierischen Produkten und den Auswirkungen der Tierproduktion auf den Klimawandel ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, um den CO2-Fußabdruck in diesen Sektoren zu reduzieren. Dies kann durch die Verbesserung der Futtereffizienz, die Umstellung auf nachhaltigere Landwirtschaftspraktiken, die Förderung von klimasmarten Transportmethoden und den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien erreicht werden. Von besonderer Bedeutung ist jedoch der lokale bzw. regionale Futterpflanzenanbau, die Nährstoffeffizienz und eine gute Tiergesundheit bzw. Tierwohl.

Wie wird die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln ermittelt?

Claus-Hinrich Heuer: Die Ermittlung der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Aspekte berücksichtigt, um die Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zu bewerten. Es gibt verschiedene Methoden und Ansätze, um die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln zu beurteilen.

Einige der wichtigsten Schritte und Faktoren, die bei der Ermittlung der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln berücksichtigt werden, sind:

1. Lebenszyklusanalyse (LCA)

Die Lebenszyklusanalyse ist ein gängiges Instrument zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Lebensmitteln. Sie berücksichtigt den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, von der Produktion über die Verarbeitung, den Transport, die Lagerung, die Verwendung und die Entsorgung. Dabei werden Faktoren wie Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Landnutzung, Energieverbrauch und Abfallmanagement bewertet.

2. Ökologischer Fußabdruck

Der ökologische Fußabdruck misst den Flächenbedarf eines Lebensmittels in Bezug auf die biologische Produktivität der Erde. Er gibt an, wie viel Land und Wasser benötigt werden, um ein bestimmtes Lebensmittel zu produzieren und die dabei entstehenden Umweltauswirkungen zu bewerten.

3. Soziale Kriterien

Die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit beinhalten Faktoren wie Arbeitsbedingungen, Fairness in der Lieferkette, Einhaltung von Menschenrechten und die Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft. Hierzu gehören auch Aspekte des Tierschutzes und des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Produktion.

4. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit

Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit bezieht sich auf die langfristige Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung. Es wird untersucht, ob die Preise angemessen sind, die Landwirte und Arbeiter gerecht entlohnt werden und die Produktionsmethoden wirtschaftlich tragfähig sind.

5. Zertifizierungen und Labels

Es gibt verschiedene Nachhaltigkeitszertifizierungen und Labels für Lebensmittel, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen, um als nachhaltig zu gelten. Diese Labels können dem Verbraucher eine Orientierungshilfe bieten und Unternehmen dazu anspornen, nachhaltigere Praktiken umzusetzen.

6. Forschung und Datenanalyse

Die Ermittlung der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln erfordert umfassende Forschung, Datenanalyse und Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Unternehmen, Regierungen und anderen Interessengruppen. Es werden verschiedene Datenquellen und Methoden verwendet, um die Auswirkungen von Lebensmitteln zu bewerten.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Ermittlung der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln oft komplex ist und von verschiedenen Faktoren abhängt, einschließlich der Art des Lebensmittels, der Produktionsmethoden, der geografischen Lage und der lokalen Bedingungen. Dennoch sind diese Bewertungen entscheidend, um fundierte Entscheidungen zu treffen und eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion und einen nachhaltigeren Lebensmittelkonsum zu fördern. Die ernährungsphysiologischen Unterschiede zwischen Lebensmitteln müssen mit bewertet werden beim Nachhaltigkeitsvergleich. Das gilt genauso im Bereich Futtermittel; ist hier aber durch die Optimierungsprogramme und Rezepturbewertungen sichergestellt.

Was hat KWS hier bereits erreichen können?

Claus-Hinrich Heuer: Wir haben sowohl den ökologischen Fußabdruck für deutsches Getreide ermitteln und zertifizieren lassen können, als auch, unterstützt durch die tierärztliche Hochschule, mit einigen Landwirten die Lebenszyklusanalyse (engl. LCA) der Mastschweineproduktion unter dem sog. 6-R-Fütterungskonzept mit hohen regionalen Roggen- und Rapsschrotanteilen durchgeführt. Beide Projekte haben wir bereits seit 2020 auf den Weg gebracht und sie werden nun viel beachtet.

Der CO2-Fußabdruck von deutschem Getreide zeigte auf, dass PollenPLUS®-Hybridroggen eine um etwa 20 % bessere Klimawirkung besitzt als Gerste oder Weizen. Der Vorteil zu Populationsroggen betrug etwa 15 %. Es wurden hierbei Landessortenversuche (= staatliche Versuche) der Erntejahre 2018 bis 2021 verrechnet und durch das internationale Nachhaltigkeits-Beratungsunternehmen Blonk aus Holland modelliert, anschließend zertifiziert und im April 2023 in die Datenbank des Global Lifecycle Feed Institute GFLI aufgenommen.

Der CO2-Fußabdruck von Schweinefleisch im Jahr 2022 konnte mit dem 6-R-Konzept und durch eine günstige Haltungsform im Aussenklimastall um 45 bis 50 % gesenkt werden gegenüber einer zeitgleichen Mischung (ökonomisches Optimum ‚Südoldenburg‘) und Standardhaltungsform. Einige Mischfutterhersteller arbeiten gemeinsam mit uns und der tierärztlichen Hochschule an einer solchen Erfassung in weiteren Vermarktungsketten.

Welche Vorteile bietet das für die Tierhalter und die Futtermittelproduktion?

Claus Hinrich-Heuer: Für den Mischfutterhersteller ist es nun möglich, Rationen auf Basis neuer Getreidewerte für die Nachhaltigkeit zu optimieren und er muss das nicht durch aufwändige Pflanzenbauversuche ermitteln.

Der Tierhalter kann nun deutlich machen, wie "Klima"-günstig seine Produktion ist bzw. an welchen Stellschrauben er weitere Verbesserungen vornehmen kann. Die Anwendung von LCA Programmen konnte an unseren Betrieben gut veranschaulicht werden.

Fazit

Können Sie einen Ausblick geben, wie sich das Merkmal Nachhaltigkeit mittelfristig in der Landwirtschaft und KWS etablieren wird?

Andreas von Felde: Wir dehnen als KWS mit weiteren Stakeholdern der Branche gerade die Anzahl an Betrieben, die sich an unseren Lebenszyklusuntersuchungen für Schweinefleisch beteiligen, deutlich aus und streben in 2024 mehr als 300.000 Tiere in der Auswertung an. Derzeit, in 2023, sind es bereits etwa 120.000 in Deutschland und Dänemark. Dies betrifft alle Haltungsformen sowie Mischfutterkunden und Selbstmischer. Ab 2024 werden wir dieses Projekt auch auf die Geflügelbranche ausweiten.


Für die GFLI-Datenbank werden wir in 7 weiteren Ländern Untersuchungen zum ökologischen Fußabdruck für Getreide vornehmen, um der Futtermittelindustrie aktuelle Ausgangswerte zur Nachhaltigkeits-Optimierung liefern zu können.


Ich denke, dass es in der Landwirtschaft ab 2026 durch die gerade erst aufgestellten EU-Regelungen zur betrieblichen Klimabilanzierung kommen wird, die an die EU-Fördergelder geknüpft sein wird. Hinzu kommen noch nationale und regionale Klimaverpflichtungen, die Einfluss gewinnen werden. Da macht es Sinn, diesen Bereich u.a. für die Tierproduktion näher zu beleuchten und zu optimieren.

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Ihr Ansprechpartner

Andreas von Felde
Dr. Andreas von Felde
Leiter Globales Produktmanagement Fütterung
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