Mehr Tierwohl durch Roggen
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Ziel des Forschungsprojektes ist es, die spezifischen Inhaltsstoffe von Roggen (besonders Nichtstärke-Vielfachzucker) und Raps (Proteinquelle) zu untersuchen. Von Interesse sind dabei die Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistung beim Einsatz von sehr hohen Roggenanteilen in der Mischung auf der Basis von PollenPLUS®-Hybriden mit guter Mutterkornabwehr.
Dabei steht „6-R“ für den Projekttitel: „Regionale Renaissance von Roggen und Raps zur Reduktion von Problemen in Pflanzenbau und Tierproduktion durch Reevaluation der Inhaltsstoffe und deren gezielte Nutzung zur Förderung des Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzes“.
"Der Verbraucher erwartet auch von uns, d. h. von der Tierernährung – von der Fütterung, Ansätze, die das Tierwohl fördern. Und in diesem Zusammenhang verdient der Roggen tatsächlich unser Interesse."
Prof. (i. R.) Dr. Josef Kamphues | Institut für Tierernährung, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Erste Ergebnisse
zeigen:
- die hohe Akzeptanz von PollenPLUS® -Hybridroggen bei einem entsprechend hohem Leistungsniveau
- eine deutliche Reduktion der Salmonellenbelastung durch hohe Anteile von Hybridroggen im Mischfuttern
- in der Ebermast eine signifikante Abnahme der Beanstandungsraten aufgrund des Ebergeruchs
- Hybridroggen fördert die Darmgesundheit durch die „Ernährung“ der Darmwand
- eine Beruhigung/geringere Bewegungsaktivität der Tiere – und damit ein höheres Wohlbefindenn
- eine Steigerung der Nachhaltigkeit – regional produzierter Hybridroggen hat einen besonders geringen CO2-Fußabdruck
Die Ergebnisse aus der Feldstudie und die umfangreichen Forschungsansätze imProjekt „6-R-Konzept“ weisen auf das erhebliche Potenzial von Roggen für eine nachhaltige und gesunde Schweinefütterung hin. Roggen als regional angepasstes Produkt bietet damit die Chance für eine gesunde Tierernährung – und damit mehr Tierwohl.
In dem bis zum Jahr 2022 laufenden Projekt übernehmen die Beteiligten spezifische Aufgaben:
- KWS setzt – gemeinsam mit der Viehvermarktungsgemeinschaft Aller-Weser-Hunte eG und dem Mischfutterhersteller Raiffeisen Mittelweser – die Versuche mit definierten Roggenqualitäten in die Praxis um.
- Die richtige Futtermischung zur Reduktion der Salmonellenprobleme entwickelt das Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
- Tierernährer an der Freien Universität Berlin prüfen unter anderem die Auswirkungen roggenreichen Mischfutters auf die Darmschleimhaut und deren Abwehrfunktion.
- Die besonderen Nichtstärke-Vielfachzucker (Fruktane/Arabinoxylane) im Roggen analysieren die Tierernährer der Universität Bonn und bestimmen Energiegehalte und Verdaulichkeiten.
"Wir haben im Rahmen des Forschungsprojektes viele Anfragen von Mischfutterunternehmen und von Schweinemästern, die Roggen einsetzen wollen. Wenn wir in Deutschland kurzfristig ca. 200.000 Hektar mehr Roggen anbauen würden, wäre schon viel erreicht."
Dr. Andreas von Felde | Leiter Produktmanagement Fütterung international KWS Getreide
Hohe Akzeptanz – fördert die Leistung
Roggen schon bei jungen Tieren zu füttern, ist möglich und sinnvoll, das zeigen nach dem Praxistest auch die wissenschaftlichen Versuche.
Erkentnisse bei der Fütterung junger Schweine mit unterschiedlichen Roggenanteilen:
Darmgesundheit
Gesunde Tiere sind zufriedener und nehmen erfolgreich zu.
Die Basis dafür ist eine gesunde Darmflora.
Großen Einfluss hat die Fütterung der Schweine. Roggen als Getreidekomponente ist reich an Ballaststoffen, die erst im Dickdarm durch Bakterien abgebaut bzw. verstoffwechselt werden. Dabei entstehen nützliche Stoffe, die für die Gesunderhaltung der Darmschleimhaut bzw. die Förderung der Dickdarmflora wichtig sind.
Das entstandene Butyrat ist Energiequelle für die oberflächlichen Saumzellen der Dünndarmwand, die für die Aufnahme der Nährstoffe zuständig sind. Darüber hinaus unterstützt Butyrat das Wachstum der Darmzellen.
Roggen ernährt die Darmwand und fördert so die Darmgesundheit.
Querschnitt einer gesunden Dünndarmwand. Oben im Bild sind die Schleimhaut und die Darmzotten deutlich zu erkennen.
Salmonellen reduzieren
Salmonellen auf einer Agarplatte
Quelle: Chuppava, Tierärztliche Hochschule Hannover
Ruhigere Schweine
Innerhalb des 6-R-Konzeptes forscht das Institut für Tierernährung der Tierärztliche Hochschule Hannover an dem Einfluss einer roggenbasierten Fütterung auf das Verhalten von Mastschweinen. Mit einem Kamerasystem werden hierzu Schweine in einem Stall beobachtet.
Die Kameras zeichnen über jeweils einen gesamten Mastdurchgang 24 Stunden pro Tag jede Bewegung der Tiere in einem Abteil auf. Mittels einer auf "MachineLearning Algorithmen" basierenden Software wird die Bewegungsaktivität sowie die Position (liegend, stehend, sitzend) der Schweine zu jedem Zeitpunkt erfasst. Die dabei entstehenden Daten werden anschließend über statistische Verfahren ausgewertet. Hierbei werden Tiergruppen miteinander verglichen, die entweder ein weizen- oder ein roggenbasiertes Mischfutter erhalten. In den Versuchen werden in der Endmast bis zu 70 % Roggen im Mischfutter eingesetzt.
Die Erwartung
Erwartet werden insgesamt ruhigere Tiere, da durch einen hohen Roggenanteil in der Ration (hier im Vergleich zu einer weizenbasierten Ration) insbesondere ein höherer Ballaststoffgehalt im Mischfutter erreicht wird und dadurch folgende Effekte unterstellt werden können:
- Langsamere und damit nachhaltigere Anflutung von Glucose im Blut und damit moderatere Schwankungen der Glucose- und Insulinspiegel
- Länger anhaltende Sättigung durch gesteigerte Füllung des Magendarmtrakts (physikalische Sättigung) und forcierte Fermentation im Dickdarm (chemische Sättigung)
- Positive Auswirkungen auf die Grundstimmung der Tiere durch eine forcierte Entstehung von u. a. Butyrat als Produkt der Fermentation
Top Fleischqualität
Keine Unterschiede in der Fleischqualität zwischen einer weizen- und einer roggenbasierten Fütterung.
Der Einsatz von gesteigerten Roggenanteilen in der Ration hat keinen Effekt auf die Mast- und Schlachtleistung. Es gibt keine Unterschiede in der Fleischqualität zwischen einer weizen- und roggenbasierten Fütterung. Die Ballaststoffe des Roggens führen zu einem kernigeren Speck, was Vorteile für die Wurstverarbeitung mit sich bringen kann.
Roggenbetonte Futtermischungen können den CO2-Ausstoß in der Schweinemast um mehr als 20 % reduzieren.
CO2-Fußabdruck
"Wenn alle Schweinemastbetriebe in Deutschland auf ein neues Fütterungskonzept umstellen – und das sind mehr als 18.000 Betriebe mit über 17 Mio. Tieren – könnten dadurch jährlich etwa 6,5 Mio. Tonnen CO2 in der Landwirtschaft eingespart werden."
Dr. Andreas von Felde | Leiter Globales Produktmanagement Fütterung KWS Getreide
Hybridroggen kann gegenüber Weizen den CO2-Ausstoß um bis zu 80 Kilogramm je Tonne Ertrag reduzieren. Begründet liegt das darin, dass Roggen deutlich weniger Dünger als Weizen benötigt, Roggen hat einen wesentlich niedrigeren Wasserbedarf und besitzt generell eine sehr gute Pflanzengesundheit.
Die CO2-Einsparungen durch die neuen Fütterungskonzepte kommen, neben den beschriebenen Vorteilen von Hybridroggen, auch dadurch zustande, dass Tierfutter regional produzierbar wird und lange Transportwege entfallen. Wenn heute importierter Weizen beigemischt wird, ebenso wie importierte Sojaprodukte als Eiweißlieferant. Dann beeinflusst das die CO2-Bilanz natürlich negativ. Hybridroggen hingegen kann in ausreichenden Mengen regional angebaut werden und die heimische Eiweißpflanze Raps kann Soja ersetzen.
"Wir sind von den Vorteilen einer roggenbetonten Fütterung in der Mast überzeugt. Der niedrigere CO2-Fußabdruck der Roggenration gegenüber der Standard-Weizenration spielt für unseren „Produktionsalltag“ zurzeit noch keine Rolle. Aber die Diskussionen um Nachhaltigkeit und Klimaschutz nehmen zu und sind nicht zuletzt durch die Klimaschutzziele Deutschlands längst auch in der Landwirtschaft angekommen."
Heinrich True | Landwirt aus dem Landkreis Verden, Projektbetrieb Schweinehaltung im geschlossenen System