Expertenwissen
Wie wirken Spätfröste auf landwirtschaftliche Kulturen?
Arne Clüver und Prof. Dr. Berthold Ilgen, Hanse-Agro – Beratung & Entwicklung GmbH
BlickPunkt, Herbst 2025
Trotz eines Anstiegs der mittleren Tagestemperaturen scheinen Spätfrostereignisse mit Auswirkungen auf landwirtschaftliche Kulturen häufiger zu werden. Das hängt damit zusammen, dass größere Temperaturdifferenzen zwischen Tag- / Nachttemperaturen auf sensible Entwicklungsstadien der Kulturpflanzen treffen.
Wie reagieren wichtige Kulturen?
Raps
Die Rapsblüte hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Richtung Mitte April verschoben. In den letzten 10 Jahren lag der Blühbeginn des Rapses nur im Jahr 2021 später als im langjährigen Mittel. Insgesamt ist eine deutliche Tendenz zu einer früheren Blüte zu erkennen (s. Abb. 2).
Bereits während der Knospendifferenzierung können durch große Temperaturschwankungen (>15°C Tag-/Nachtdifferenz) auf Temperaturen um den Gefrierpunkt die Narben und Antheren geschädigt werden. Diese Schäden sind zunächst nicht erkennbar, sondern zeigen sich erst durch physiologisch sterile Knospen oder durch Knospenabwurf (s. Abb. 3). Ab dem Knospenstadium (BBCH 51/59) sind die Knospen nicht mehr durch Blätter verdeckt. Befruchtungsstörungen können bei fertig entwickelten Rapsknospen bereits durch Fröste von -3 bis -4 °C hervorgerufen werden.
Die Samenanlagen in der Narbe schrumpfen und werden dann nicht mehr befruchtet. Diese empfindliche Phase tritt ca. 8-10 Tage vor der eigentlichen Blüte auf. Blüten, die bereits vor dem Frost befruchtet waren, werden durch mäßige Frosteinwirkung in der Regel nicht geschädigt. Je nachdem, wie schwer und wie lange die Frosteinwirkung andauerte, kann die Pflanze Knospenverluste kompensieren, in dem an den Seitentrieben vermehrt noch nicht ausdifferenzierte Knospenanlagen weiterentwickelt werden. Inwieweit der Ertrag beeinflusst wird, hängt maßgeblich davon ab, ob über das Kompensationsvermögen eine ausreichende Anzahl an ausgebildeten Schoten und Samen je m2 erreicht werden kann. Dennoch können Ertragseinbußen von 50 - 60 % in der Praxis auftreten.
Wachstumsrisse am Stängel durch Frosteinwirkung werden im Allgemeinen in ihrer Schadwirkung überbewertet, weil diese relativ schnell verkorken. Allerdings können sie Infektionen mit pilzlichen Erregern wie Grauschimmel, Phoma oder Cylindrosporium begünstigen.
Wintergetreidearten
Von den Getreidearten sind besonders Wintergerste und früh gesäter Winterweizen gefährdet. Welche Kulturen oder Sorten in welchen Jahren durch Fröste im Frühjahr geschädigt werden, ist nur schwer vorherzusagen. Auch hier lässt sich das Risiko bei allen Kulturen durch breitere Sortenwahl verringern. Frühe Sorten sollten trotz des größeren Schadrisikos auch weiterhin fester Bestandteil des Sortenspektrums sein. Sie haben meist Vorteile auf trockenfallenden Standorten oder bei regelmäßig auftretenden Hitzeperioden vor und während der Blüte. Starke Fröste können bereits Mitte/Ende Bestockung bis Schossbeginn zu Triebverlusten führen. Je nach Temperatureinwirkung und Sorte können Haupt- oder Seitentriebe erfrieren (s. Abb.4). Bei haupttriebdominanten Sortentypen, die sich früh aufrichten, sind häufig die physiologisch stärker entwickelten Haupttriebe betroffen. Auch bei gut bestockten Sorten können regelmäßig sowohl Haupt- als auch gut entwickelte Nebentriebe stärker betroffen sein und absterben. Triebverluste sind erkennbar am Welken und Absterben des jüngsten Blattes in der Blattscheide. Durch Frost kann es auch zu Blatterfrierungen an den Blattspitzen und der Blattspreite älterer und jüngerer Blätter (weiß-gelbliche Blattspitzen) kommen. Solange der Vegetationskegel nicht betroffen ist, können diese Pflanzen sich jedoch regenerieren. Bei allen Wintergetreidearten können Triebverluste problematisch sein, besonders betroffen sind in der Regel weit entwickelte Bestände. Spätfröste am Ende der Schossphase bzw. im Ährenschwellen haben in den letzten Jahren mehrfach Wintergerstenbestände geschädigt (Abb. 5, Abb. 6). Bereits vor dem äußeren Erscheinen der Ähre (BBCH 51/59) sind diese Schäden an der Ähre erkennbar. Teile der Ähre oder ganze Ähren bilden sterile Ährchenanlagen aus, die bereits in der Blattscheide abgestorben sind. Trifft der Frost die Pflanzen in der Blüte, werden entwickelte Ährchen nicht befruchtet oder komplette Ährchen bleiben steril. Diese „Laternenblütigkeit“ trat 2020 und auch 2024 besonders in Höhenlagen in Mittel- und Süddeutschland auf.
Sommerungen
Erbsen sind grundsätzlich weniger gefährdet als Zuckerrüben und Mais. Dennoch können Fröste in Frostsenken Schäden anrichten (Abb. 7). Die Pflanzen werden in der Regel nicht vollständig geschädigt, allerdings führen die geschädigten Blätter zu Wachstumsdepressionen. Dadurch verzögert sich die weitere vegetative Entwicklung, sodass geschädigte Bestände später in die Blüte kommen. Hierdurch nimmt das Risiko von Wassermangel und Hitzestress bei dieser empfindlichen Kultur zu.
Symptomatisch bei Zuckerrüben ist vor allem die Induktion von Schosserrüben durch den Einfluss niedriger Temperaturen oder leichter Fröste in der Jugendentwicklung (Vernalisation). In den letzten Jahren hat die Aussaat der Zuckerrüben aufgrund der guten Saatbedingungen deutlich früher stattgefunden. Direkte Schäden durch Frost an Rüben waren eher selten zu beobachten, allerdings werden Schosser bei diesen frühen Saatterminen zunehmend zum Problem. Offenbar gibt es aber eine größere sortentypische Variabilität für das Auftreten von Schossern.
Bei Mais tritt innerhalb von 24 Stunden eine dunkle Verfärbung der Pflanzen auf. Durch die zerstörten Blattzellen vertrocknen die Blätter später und sterben ab (Abb. 8). Pflanzenteile darunter können weiterhin grün bleiben und weiterwachsen, es kann jedoch auch zum Totalausfall kommen. Besonders gefährdet sind die Pflanzen ab dem 4-5 Blattstadium, da der Vegetationskegel dann aus dem Boden hochgeschoben wird und exponiert ist. Zusätzlicher Stress durch Nährstoffmangel oder Herbizideinsatz kann die Symptome verstärken.
Fazit
- Das Schadrisiko von Spätfrösten ist in den letzten Jahren gestiegen. Dies ist bedingt durch die verfrühte Entwicklung der Winterkulturen und zum Teil auch der Sommerungen. Empfindliche Phasen der Pflanzenentwicklung fallen damit naturgemäß in Perioden mit größeren Tag-/Nachtemperaturamplituden, wodurch das Schadpotenzial für die Kulturpflanzen erhöht ist.
- Eine Risikominimierung ist aufgrund der Sortenvielfalt durch die Sortenwahl (Entwicklungsrhythmus, frühe und späte Sorten, Blühtermin) sowie die Anpassung der Sorten an die Standortbedingungen (u.a. Winterhärte) möglich.
- Mit produktionstechnischen Maßnahmen (Düngung, Wachstumsregulierung, Pflanzenschutz) ist eine Anpassung an standortspezifische und klimatische Besonderheiten möglich, um das Schadrisiko und die Vitalität der Bestände zu verbessern.
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