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Roggenfütterung liegt voll im Trend

Dr. Heike Engels

24.05.2019

Warum immer nur Weizen und Gerste an Schweine füttern? Roggen hat ungeahnte Qualitäten für die Schweinefütterung, wie eine gerade veröffentlichte Doktorarbeit der Tierärztlichen Hochschule Hannover zeigt. Roggen hat durch seine einzigartige Kohlenhydrat-Zusammensetzung einen positiven Einfluss auf die Sättigung der Tiere, was gleichzeitig ihr Wohlergehen erheblich verbessert.

Roggen enthält durch den hohen Nicht-Stärke-Polysaccharid (NSP)-Gehalt auch gleichzeitig viele Ballaststoffe und sorgt damit für eine gute Sättigung. Derzeit wird Roggen hierzulande zu 66 % als Tierfutter genutzt, nur zu 15 % für die menschliche Ernährung und zu 15 % für die Energieerzeugung in Form von Biogas und Bioethanol. 45 % bis 70 % Roggen in einem Mischfutter für Mastschweine sind praktikabel. Roggen enthält weniger Rohprotein (heißt im Umkehrschluss weniger Stickstoff) als Weizen, aber der Anteil des verdaulichen Lysins ist mit 3,2 g je kg Trockensubstanz (TS) fast so hoch wie beim Weizen (3,4 g), was für ein positives Aminosäuren-Muster spricht. Außerdem hat Roggen hohe eigene Phytasegehalte, was die Verdaulichkeit des Phytin-Phosphors aus Samen und Körnern verbessert. Das ist für die Einhaltung der neuen Düngeverordnung sehr wichtig, denn so kann mehr Phosphor aus der Ration verwertet werden. Die Phytaseaktivität von Roggen (ca. 4000 Units/kg) ist mehr als doppelt so hoch als die von Weizen (ca. 1850 Units/kg). Bei fermentiertem Mischfutter könnte eventuell sogar auf den Zusatz von Phytase vollkommen verzichtet werden. Also Gründe genug, den Roggen wieder verstärkt in den Fokus zu rücken.

Ballaststoffreiches Futter gegen Magengeschwüre

Genau das hat Dr. Richard Grone in seiner Promotionsarbeit getan: Der Mitarbeiter der Tierärztlichen Hochschule Hannover untersuchte, welche verarbeitungstechnischen und physiologischen Unterschiede es zwischen dem „ballaststoffreichem" Roggen und dem derzeit am häufigsten eingesetzten Futtergetreide Weizen gibt. Dazu führte Dr. Grone Fütterungsversuche an Schweinen durch. Das Mischfutter bestand aus 50 % Roggenschrot, 30 % Rapsextraktionsschrot, 10 % Weizenschrot, 10 % Gerstenschrot. Eine Versuchsgruppe erhielt das Mischfutter mit Wasser versetzt (20,8 % TS-Gehalt), die andere Versuchsgruppe erhielt dasselbe Mischfutter mit dem Unterschied, dass es 24 Stunden fermentiert wurde. Ergebnis: Fermentiertes Futter führte zu einem Strukturverlust im Verlauf der Fermentation, was sich nachteilig auf die Magengesundheit der Schweine auswirkte. Alle damit gefütterten Schweine zeigten schwerwiegende Veränderung im Magen bis hin zu Magengeschwüren. Magengeschwüre sind ein großes Problem in der Schweinernährung. Der genaue Hintergrund der Entstehung ist noch nicht völlig aufgeklärt. Man geht davon aus, dass die Partikelstruktur des Futters den größten Einfluss auf die Magengesundheit hat (zu fein -> Magenulzera), aber auch weiter Faktoren wie Stress, Genetik oder gewisse Erreger stehen in der Diskussion.

Feine Vermahlung ungünstig für Magenschleimhaut

Wie kommt es aber nun durch eine feine Futterstruktur zu Veränderungen im Magen? Der pH-Wert des gesunden Magens unterliegt einer Schichtung: vorne am Mageneingang, auch Pförtner genannt, ist der pH-Wert mit 6 oder 7 eher im neutralen Bereich, weiter hinten Richtung Dünndarmausgang sinkt der pH-Wert auf Werte zwischen 2 -3. Dieses Phänomen kann nur entstehen, wenn der Mageninhalt richtig geschichtet ist. Fein vermahlenes Futter führt zu einem Verlust an Magenschichtung, ganz im Gegenteil, der Mageninhalt vermischt sich, wodurch der Mageneingang mit Salzsäure und niedrigen ph-Werten des Magenausgangs konfrontiert wird. Eine grobe und ballaststoffreiche Futterstruktur wie es der Roggen bei entsprechender Vermahlung aufweist, kann hier entgegen wirken. So entschärfte im Versuch von Dr. Grone dann auch die Verwendung eines Anteils grob Walzenstuhl-vermahlener Getreidekomponenten (ca. 39 % der Trockensubstanz) die Magenprobleme.

Dr. Grone fand also heraus, dass eine sehr feine Vermahlung (Hammermühle, Sieb mit Lochdurchmesser 3 mm oder weniger) ungünstig für die Magenschleimhautgesundheit ist. Weizen und Roggen sollten gröber vermahlen werden (größer 3 mm umso gröber desto besser), um eine starke Nachzerkleinerung bei der Wasserzugabe oder auch bei der Pelletierung zu vermeiden. Eine ausschließliche Fermentatfütterung von Schweinen ist durch den Verlust an Struktur währen der 24-stündigen Fermentation nicht zu empfehlen. Es sollte eine Ergänzung mit Strukturkomponenten wie faserreichen / nur grob zerkleinerten Getreideprodukten (Partikelgröße unter 550 µm so minimal wie möglich halten) erfolgen. Je länger die Einweichzeit, desto mehr Bestandteile können in Lösung gehen und somit die Partikelgröße verringern. Lange Einweichzeiten sind somit zu vermeiden.

Roggen mit dickflüssiger Konsistenz

Im Versuch zeigte Roggen eine dickflüssigere Konsistenz als Weizen, wodurch der Darminhalt zähflüssiger wird, die Durchflussgeschwindigkeit sinkt. Warum und wofür ist das gut? Verantwortlich dafür sind Arabinoxylane, Fructane, Cellulose, und Beta-Glucane; sie passieren den Magen größtenteils unverdaut, da sie nicht durch körpereigene Enzyme abgebaut werden. Dies geschieht erst durch Mikroorganismen im Dickdarm. Durch die lange Passagedauer des Roggens ist der Darmtrakt lange gefüllt, was zu der gewünschten langanhaltenden Sättigung führt. Durch den Abbau von Roggen erst im Dickdarm entsteht im Vergleich zu anderen Getreidearten aus Fruktanen und Arabinoxylanen Buttersäure bzw. deren Salz, das Butyrat. Es wirkt positiv auf die Mikroorganismenzusammensetzung des Darms, weil es als Nährsubstrat für die Darmzellen dient. Alles in allem steigt hierdurch die Stabilität / Gesundheit und Funktionsfähigkeit der Darmzellen an. Das Mikrobiom im Darm hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, da man mittlerweile weiß, dass ein Hauptteil des Immunsystems im Darm sitzt und dieses über die mikrobielle Zusammensetzung der Darmflora bestimmt wird. Krankheitserreger wie z. B. Salmonellen haben es durch das Butyrat schwerer, die Darmwand zu passieren. Die langanhaltende Darmfüllung durch die Ballaststoffe sowie das Butyrat als deren Abbaustoff sollen zudem positive Effekte auf das Verhalten haben, die Tiere werden ruhiger, eben auch, weil sie länger satt sind. Der Blutzuckerspiegel bleibt stabil. Erst die neuen Analysemethoden, mit denen einzelne Kohlenhydrate betrachtet werden können, haben diese Erkenntnisse möglich gemacht.

Neben der positiven Wirkung auf die Magenschleimhaut hat Roggen weitere positive Effekte für Tiergesundheit und Tierwohl, aber auch für den Anbau speziell auf trockenen Standorten: In einer Feldstudie konnte gezeigt werden, dass eine Roggenfütterung den Ebergeruch reduziert. Und auch ackerbaulich ist Roggen interessant: er kommt durch ein gutes Wurzelwerk besser mit Trockenheit klar und wächst auch auf schlechteren Böden – vor dem Hintergrund weiterer Dürre-und Hitzesommer wie dem im letzten Jahr sind das sehr wertvolle Eigenschaften.

Auszeichnung und 6-R-Konzept

Für die Forschungsarbeiten ist Dr. Richard Grone kürzlich sogar von der H. Wilhelm Schaumann Stiftung ausgezeichnet worden. Grones Promotionsarbeit „Zur Bedeutung physio-chemischer Eigenschaften von Futtergetreide (Weizen, Roggen, Gerste) für die Herstellung und Verwendung in Mischfuttermitteln für Schweine" aus dem Jahr 2018 liefert einige wichtige Ansätze für die positiven Effekte höherer Anteile von Roggen in der Tierernährung. Roggen bleibt für Dr. Grone von Interesse: Er ist unter der Führung von Institutsdirektor Professor Dr. Josef Kamphues für das Forschungsprojekt „6-R"-Konzept verantwortlich (Laufzeit: 01.06.2018 - 31.07.2021). Darin geht es auch um die Frage, wie Roggen im Futter zur Gesundheit und zum Wohl von Schweinen beitragen kann. 6-R steht für den Projekttitel „Regionale Renaissance von Roggen und Raps zur Reduktion von Problemen in Pflanzenbau und Tierproduktion durch Reevaluation der Inhaltsstoffe und deren gezielte Nutzung zur Förderung des Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzes". Neben der Tierärztlichen Hochschule sind zwei weitere, renommierte Tierernährungsinstitute sowie der Saatguthersteller KWS als Wirtschaftspartner und der Deutsche Raiffeisenverband beteiligt. Gefördert wird das Forschungsprojekt durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Feldversuch: Ebergeruch und Salmonellenlast sinken

Durch eine gute Verdauung bleibt die Darmschleimhaut gesünder und hat weniger Abschilferungen. Das wirkt sich positiv auf den Ebergeruch aus, denn aus den Abschilferungen der Darmschleimhaut entsteht Tryptophan, welches zu Skatol umgewandelt wird, dem typischen Ebergeruch. Von allen Getreidearten hat Roggen den höchsten Gehalt an Fruktanen (3,6 bis 6,4 % in der Trockenmasse). Dieser Effekt konnte in einem Fütterungsversuch gezeigt werden, den die Viehvermarktung Walsrode e.G. seit 2017 gemeinsam mit der Saatgutfirma KWS Lochow an 18 Schweinemastbetrieben durchführt. Die Betriebe veränderten nichts, außer dass das Futter gröber vermahlen wurde (max. 20 % <0,25 mm) und dass insgesamt mehr Roggen gefüttert wurde bis hin zu 40 % Roggen und 25 % Gerste in der Endmast. Das gab bei der Anzahl geruchsauffälliger Eber am Schlachtband einen positiven Effekt: Sie sank von anfangs über 2.000 geruchsauffälligen Tieren auf null. Die Feldstudie läuft noch bis Sommer 2019, um weitere Daten zu erhalten. Und auch die Salmonellenreduktion konnte belegt werden: Im Ergebnis sind die Salmonellenbefundraten der Betriebe deutlich gesunken (von 14,6 % im 1. Quartal 2017 auf 10,3 % im 4. Quartal 2017), das entspricht einer Reduktion von ca. 30 %.

Keine Angst vor Mutterkorn

Früher war mit Roggen die Gefahr der Verfütterung von Mutterkorn verbunden, weshalb der Roggen nur in geringen Mengen eingesetzt wurde. Mutterkorn ist die Überdauerungsform des Pilzes Claviceps purpurea und enthält Toxine, die sich negativ auf die Sauenfruchtbarkeit auswirken können. Doch neueste Züchtungen mit dem PollenPlus Züchtungssystem sind nur noch wenig anfällig für Mutterkorn. Sie produzieren mehr Pollen, die die Narbe bestäuben, so kann sich der Pilz dort nicht festsetzen. Ackerbaulich ist der Roggen interessant, da er eine große Wurzelmasse bildet (bis 1 Meter tief) und sich dadurch auch dann noch mit Wasser versorgen kann, wenn es für andere Getreidearten schon knapp ist. Hitzeperioden wie im vergangenen Sommer meistert der Roggen daher besser. Die Hektarerträge neuer Hybridsorten stehen dem Weizen in nichts nach.

Nährstoffkraftpaket Getreidekorn

Roggen (Secale cereale) ist eine in den gemäßigten Breiten verbreitete Getreideart aus der Familie der Süßgräser. Das Getreidekorn besteht von außen nach innen aus verschiedenen Schichten: außen befindet sich die Fruchtschale sowie die Samenschale, darunter liegt die Aleuronschicht, die den Mehlkörper und den Keim umschließt. Der Mehlkörper stellt den Hauptanteil des Getreidekorns dar und enthält viel Stärke, aber auch weitere Kohlenhydrate wie Beta-Glucane und Fructane. Weiterhin enthält das Getreidekorn je nach Sorte in veränderlichen Anteilen Rohprotein, Rohfaser, Rohfett und Rohasche. Die Nährstoffverteilung im Korn ist ungleichmäßig: im Mehlkörper sitzt die Stärke, die Fruchtschale enthält viel Rohfaser und die Aleuronschicht ist reich an Rohprotein, es finden sich aber auch Vitamine, Rohfett und Enzyme in ihr. Der Keimling ist reich an Fett, Mineralstoffen und Vitaminen.