Wie bist Du zum „Agrarblogger“ geworden?
Ich bin da einfach reingerutscht. Ein Erlebnis in der Ernte im Jahr 2016 war der Auslöser. Wir haben an einem von Radfahrern vielbefahrenen Wirtschaftsweg eine Saatgut-Vermehrung gedroschen. Ein Gewitter drohte und wir waren deshalb sehr gestresst. Dazu kam noch, dass Sonntag war und schönes Wetter. Ich war mit dem vollen Hänger auf dem Weg zum Hof, um abzuladen. Vor mir fuhr eine Dame auf dem Weg und meinte, nicht an den Rand fahren zu müssen, daraufhin kam es zum Streit. Denn die Dame wollte nicht zur Seite fahren und hat mich heftig beschimpft. Ich bin dann übers Feld an ihr vorbeigefahren. Auf dem Weg nach Hause ververänderte sich meine Wut in Trauer. Mir wurde wieder bewusst, wie gering der Stellenwert unserer Arbeit ist. Abends habe ich einen Facebook Post auf meiner privaten Seite verfasst, in etwa: „An das freizeitgestresste Volk! Wir ernten nicht, um euch zu ärgern. Wir müssen unsere Ernte einfahren. Bitte denkt an uns, wenn ihre das nächste Mal am Frühstückstisch sitzt.“ Dieser Beitrag wurde über 430-mal geteilt und ich konnte mich vor Freundschaftsanfragen gar nicht mehr retten. Danach habe ich auf Facebook zuerst die Seite lebe-liebe-landwirtschaft ins Leben gerufen und parallel auf Instagram begonnen. Ich habe diese beiden Portale als Sprachrohr genutzt, um die Leute ein bisschen mitzunehmen. Mittlerweile berichte ich täglich über meine Arbeit auf Instagram, weil ich es dort einfacher und übersichtlicher finde.
Welche Ziele verfolgst Du auf Instagram und Facebook?
In erster Linie ist das Ziel, die Menschen mitzunehmen, die weiter weg sind von der Landwirtschaft, sprich Verbraucher. Was sich, zugegebenermaßen, schwierig gestaltet. Bei einer Umfrage unter meinen Followern kam heraus, dass 65 - 70 % mit der Landwirtschaft etwas zu tun haben. Also das Ziel Menschen zu erreichen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, gestaltet sich schwierig. Dieses Ziel möchte ich gerne ausbauen. Ich versuche, alles immer möglichst einfach zu erklären. Meinen Berufskollegen muss ich nicht erklären, wie man sät oder warum man sät oder warum man Pflanzenschutz betreibt. Das möchte ich den Leuten erzählen, die sich im besten Fall dafür interessieren und nicht aus der Landwirtschaft kommen.
Warum ist Dir Landwirtschaft wichtig?
In erster Linie, weil es mir in die Wiege gelegt ist. Ich bin als Tochter eines sehr leidenschaftlichen Landwirts geboren. Zu Hause hat sich immer alles um dasThema gedreht. Und auch, weil ich finde, dass es ein super wichtiger Beruf ist, der meiner Meinung nach in der Wichtigkeit an Stellenwert verloren hat. Vielen ist nicht bewusst, wie gut wir es haben, dass jeden Tag etwas zu Essen auf dem Tisch steht und im besten Fall noch etwas Regionales. Es ist einfach Leidenschaft und Herzensangelegenheit.
Was war Dein wichtigster Post?
Einer, der mir aus dem letzten Jahr spontan einfällt, ist ein Post über die Kartoffelernte. Nachdem ich eine Woche lang täglich in den Stories über die Kartoffelernte berichtet habe, habe ich am Sonntag einen zusammenfassenden Post über die Kartoffelernte veröffentlicht. Daraufhin schrieb mir ein Mädel aus Berlin, die nichts mit Landwirtschaft zu tun hat, dass sie die Berichte toll fand und dass sie dadurch nun gesehen habe, wie viel Arbeit dahintersteckt, und dass sie die Kartoffel als Produkt nun viel mehr wertschätzen wird.
Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn das zeigt mir dann, dass diese digitale Arbeit auch Früchte trägt. Ich bin insgesamt froh über sehr viel positive Reaktionen, die ich immer wieder bekomme.
Hast Du einen Tipp für Landwirte, die etwas für das Image der Landwirtschaft tun wollen?
Generell sollten die Landwirte gegenüber dem Verbraucher offen sein. Die Generation, die Social Media betreibt, ist dort schon auf einem sehr guten Weg und geht auf die Leute zu. Dabei wird es immer Menschen geben, die man nicht bekehren kann.
Das Image der Landwirtschaft zu stärken, ist im Sinne von Instagram für mich am einfachsten. Aber jeder kann z. B. auch Feldrandschilder aufstellen. Dieses Jahr habe ich Schilder aufgestellt, mit „Hier steht Gerste/Weizen/Raps etc., wie sieht es aus, was wird damit gemacht“ usw.
Ich bin jetzt z. B. mit einer Grundschullehrerin in Kontakt, um den Schulkindern die Kartoffeln am Kartoffelfeld oder in der Schule mit Fotos zu zeigen und wie wir diese produzieren. Ich finde es wichtig, die Leute wieder mehr mitzunehmen, damit sie verstehen, was passiert und warum wir manche Sachen tun.