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Gesünderen Sorten eine Chance geben...
sie werden immer wichtiger

Manja Landschreiber, LWK Schleswig-Hostein, Abteilung Pflanzenbau, Pflanzenschutz, Umwelt

02.07.2019

Die Grundlage für die Fungizid-Behandlungsintensität von Getreide im Frühjahr wird mit der Aussaat im Herbst gelegt. Sorte und Saatzeit sind dabei entscheidende Parameter, die jeder Landwirt selbst in der Hand hat. Krankheitsanfällige Sorten, besonders in Kombination mit einer Frühsaat, müssen im Frühjahr intensiver geführt werden. Letztendlich entscheidet dann die Witterung über das Auftreten von Pilzkrankheiten und somit über die tatsächliche Fungizid-Intensität. In der Vergangenheit, als noch eine Vielzahl von Wirkstoffen zur Verfügung stand, waren auch krankheitsanfällige Sorten gut zu führen.

Beim Landwirt, der Pflanzenschutzmittel-Industrie und auch in der Beratung hatte der Faktor Ertrag den höchsten Stellenwert. Der Fungizid-Einsatz brachte anfällige Sorten zu Höchsterträgen. Dieser Einsatz rechnete sich häufig auch finanziell. Wenig anfällige Sorten waren in reinen Marktfruchtbetrieben out. „Gesunde Sorten dreschen nicht!“ war häufig ein Totschlagargument. Mit dieser landläufigen Meinung hatte auch die Züchtung in der Vergangenheit zu kämpfen. Gesunde Sorten fanden kaum Akzeptanz und verschwanden oft relativ schnell von der landwirtschaftlichen Bildfläche. Inzwischen hat sich das Blatt gewandelt. Die neue Düngeverordnung begrenzt die Stickstoffmenge, rechtliche Reglementierungen dünnen die Wirkstoffpalette regelrecht aus und eine sich ständig verschärfende Resistenzsituation begrenzt die biologische Wirksamkeit der verbliebenen Produkte.

Resistenzentwicklung

Besonders die Resistenz-Entwicklung der einzelnen Wirkstoffgruppen gegenüber pilzlichen Pathogenen, wurde in der Vergangenheit viel zu leicht in Kauf genommen. Der erste spürbare Ruck, der durch die Fungizid-Pflanzenschutzwelt ging, war der völlige Wirkungsverlust der Strobilurine, zuerst gegenüber dem Mehltau und dann 2004 gegenüber der Septoria-Blattdürre. Innerhalb kürzester Zeit durchlebten die Strobilurine ein Wechselbad von hochgefeierten Stars, bis hin zur fast völligen Bedeutungslosigkeit, mit Ausnahme der Braunrostbekämpfung. Wenn auch über die Schnelligkeit dieser Entwicklung bei den Strobilurinen immer noch diskutiert wird, in einem ist die Fachwelt sich einig. Jede fungizide Anwendung selektiert, denn es gibt immer Sporen, die die Behandlung überleben. Krankheitsanfälligere Sorten werden zur effektiven Krankheitsbekämpfung häufiger behandelt. Denn die Krankheitsbekämpfung steht im Vordergrund, ein Verzicht auf Ertrag ist nicht denkbar. Das bedeutet aber, eine gesteigerte Anwendungshäufigkeit wiederum selektiert stärker. Letztendlich ist so die Anwendungshäufigkeit der Fungizide der Schlüssel für ihre Lebensdauer. Aus diesem Teufelskreis kann nur ausgebrochen werden, wenn weniger anfällige Sorten stärker Berücksichtigung finden. Betrachtet man die aktuelle Resistenzsituation sind die Krankheiten Ramularia collo-cygni und Netzflecken in der Gerste sowie Septoria tritici und Echter Mehltau im Weizen die Problemfälle in der Krankheitsbekämpfung.

  • Der Sortenaspekt muss stärkere Berücksichtigung finden. Nur gesündere Sorten helfen, die Behandlungshäufigkeit einzuschränken.

    Manja Landschreiber, LWK Schleswig-Holstein
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Vorhandene Pflanzenschutzmittel

Langfristige Resistenzvermeidungsstrategien werden zusätzlich durch die rechtliche Unkalkulierbarkeit der Zulassung erschwert. Im Wesentlichen stehen, neben den Mehltau-Spezialprodukten, vier fungizide Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Das sind im Einzelnen die Strobilurine, die SDHI-Fungizide, die Azole und die Kontaktfungizide. Das klingt nach einem ausreichenden Portfolio. Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich allerdings riesige Probleme bei der Bekämpfung einzelner Schaderreger.

Das Ende vieler Wirkstoffe

Nach der Einführung neuer cut-off Kriterien in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln stehen bei der Neubewertung zugelassener Wirkstoffe vor allem die Azol-Fungizide im Fokus. Für die Wirkstoffe Propiconazol und Cyproconazol steht ein Wegfall bereits fest. Das heißt für Propiconazol-haltige Produkte, wie Agent, Gladio und Taspa, endet die Aufbrauchfrist am 19.03.2020. Realistisch betrachtet, ist somit der letzte Einsatz in 2019 möglich. Auch Epoxiconazol, Tebuconazol und Prochloraz müssen neu bewertet werden, mit derzeit ungewissem Ausgang. Neben den Azolen steht ebenfalls Chlorthalonil als wichtigster Vertreter der Kontaktfungizide stark in der Kritik. Nach jahrelangem Hoffen ist nun klar, auch für diesen Wirkstoff wird es keine Zukunft geben. Die EU-Mitgliedsstaaten stimmten Ende März für ein Verbot von Chlorthalonil. Hintergrund sind, laut EFSA, negative Auswirkungen auf Fische und Amphibien. Chlorthalonil ist im Winterweizen ein wichtiger Anti-Resistenzbaustein bei der Septoria-Blattdürre und in der Gerste unverzichtbar zur Ramularia-Bekämpfung. Das aktuelle Zulassungsende ist für den 31.10.2019 festgelegt, die Abverkaufs- und Aufbrauchsfristen sind der 30.04.2020 und der 20.05.2020.

Fazit

Die Landwirtschaft befindet sich in einem Umbruch. Die Zeiten, in denen in relativ kurzen Zeitabschnitten neue Wirkstoffgruppen alte abgelöst haben und so immer wieder zum Problemlöser wurden, sind vorbei.
Der Sortenaspekt muss stärkere Berücksichtigung finden. Nur gesündere Sorten helfen, die Behandlungshäufigkeit einzuschränken.
Aber auch bei den Sorten gilt es, mit gesundem Augenmaß zu agieren. Eine Konzentration auf einige wenige kann positive Eigenschaften auch schnell schwinden lassen.
Denn auch hier gilt: Die Sortenresistenz ist keine feste Größe! Sie ist über die Anpassung von Schaderregerpopulationen variabel, somit zählt auch hier die Anwendungshäufigkeit!

Kontakt

Manja Landschreiber
LWK Schleswig-Holstein
Abteilung Pflanzenbau, Pflanzenschutz, Umwelt
mlandschreiber@lksh.de